Die SPD schlägt sich zurück

Eskalation bei Niedersachsens Sozialdemokraten: Erstmals stellen sich Genossen auf die Seite von Swantje Hartmann und attackieren Parteichef Garrelt Duin, der eine „Hexenjagd“ veranstalte

VON KAI SCHÖNEBERG

Bislang ging es nur gegen Swantje Hartmann. Wegen Untreuevorwürfen musste die SPD-Landtagsabgeordnete seit Mai von vielen Spitzenämtern zurücktreten, obwohl sie stets ihre Unschuld beteuert hatte. Nun droht die in ihrer Partei in Ungnade Gefallene, Landesparteichef Garrelt Duin mit in die Tiefe zu reißen. „Es gibt keinen ‚Fall Hartmann‘, aber es scheint dagegegen einen ‚Fall Duin‘ zu geben“, schreiben zwei SPD-Mitglieder des Delmenhorster Rats in einem öffentlichen Brandbrief. Dieter Markowiak und Klaus Findeisen werfen den „selbst ernannten Saubermännern“ Duin und seinem Delmenhorster Unterbezirksvorsitzenden Holger Ortel eine „Hexenjagd“ gegen Hartmann vor, um von eigenen Fehlern „abzulenken, zu vertuschen und zu vernebeln“. Die Delmenhorster Sozialdemokraten sind damit die ersten, die sich auf die Seite der 35-jährigen stellen, die in Delmenhorst Bürgermeisterin ist.

Dafür fahren sie Geschütze schweren Kalibers auf. So fragen Markowiak und Findeisen in dem zweiseitigen Brief, ob der von Duin geführte SPD-Landesverband eine „nennenswerte Spende“ von einer am Tiefwasserhafen beteiligten Firma bekommen hat. Damit hätte man sich das Wohlverhalten der Partei im zeitgleich zum Wahlkampf laufenden Untersuchungsausschuss zum Tiefwasserhafen kaufen können. Angeblich, so Markowiak zur taz, handelt es sich um „eine Summe im sechsstelligen Bereich von Eurogate“, dem Betreiber des Hafens. Zudem wollen die Ratsherrn wissen, ob Duin und sein Referent von VW Autos zu „Mitarbeiterkonditionen“ gekauft haben.

Auch, ob das „Gerücht“ stimme, dass Duin dem Bundestagsabgeordneten Ortel zugesichert habe, er bekomme bei der Wahl im kommenden Jahr erneut einen Listenplatz, wenn er einen Unterbezirksparteitag absage, wollen die Ratsherrn wissen. Dort sollte eigentlich Hartmanns Abwahl beschlossen werden. Doch dann schien es dafür keine Mehrheit mehr zu geben.

Vom Vorwurf, Hartmann habe vom Geld profitiert, dass ihr ehemaliger Lebensgefährte, ein SPD-Funktionär, veruntreut haben soll, seien nur noch „Kinkerlitzchen“ übrig geblieben, sagte Markowiak zur taz. In Delmenhorst gibt es wegen der Causa Hartmann bereits drei Parteiaustritte. Der Umgang mit ihr sei „unter jeder Würde“, sagte Ratsherr Henning Schlange.

Duin sei bislang jede Begründung schuldig geblieben, warum er Hartmann „jetzt Hals über Kopf demontieren will“, sagen die Delmenhorster SPD-Ratsherren. Es sei ihnen „unbegreiflich“, wie sich die Politiker der Niedersachsen-SPD gegenseitig in „solche Machenschaften, Halbwahrheiten und Indiskretionen“ ziehen könnten, anstatt „diesem selbst zerstörerischen Fiasko ein Ende zu setzen“.

Es herrsche „Chaos“ in seiner Partei, kommentierte Ortel das Geschehen – und überlegte, sein Amt als Unterbezirkschef niederzulegen. Duin wies die Vorwürfe, die „nicht das Geringste an der der Bewertung des Verhaltens der Landtagsabgeordneten Hartmann“ änderten, zurück und betonte, eine Kommission werde für Aufklärung sorgen. Er wolle sich nicht an der von den Hartmann-Freunden „gewünschten Schlammschlacht“ beteiligen.

Parteigranden kritisierten indes die „Führungsschwäche“ Duins. „Wenn er so weitermacht, kann er nicht Spitzenkandidat 2013 werden“, sagte ein Spitzenfunktionär zur taz. Das Thema müsse im Landesvorstand in Hannover bereinigt werden, nicht in Delmenhorst.