Die Okkupation des Stockerls schlägt fehl

Beim ersten Wettkampf der Kombinierer im neuen Jahr wird Ronny Ackermann von Felix Gottwald abgefangen

OBERHOF taz ■ Meist beginnt der Neujahrstag mit quälenden Versuchen, den alkoholvernebelten Kopf klar zu kriegen, um sich nach erster Regeneration dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker hinzugeben. Für die Nordischen Kombinierer gab es ein ganz anderes Programm: Sprint-Weltcup in Oberhof. „Ich bin froh, dass ich gestern nicht umsonst so früh schlafen gegangen bin“, sagte Sprintsieger Felix Gottwald. Der Österreicher kam knapp vor Ronny Ackermann ins Ziel, der sich schon um 23 Uhr schlafen gelegt hatte, „damit ich den Krach und die Knaller nicht mehr höre“.

Die Zweikämpfer hatten sich nach der unorthodoxen Silvesternacht in aller Früh aus den Betten geschält und stürzten sich wenig später die Schanze im nebelverhangenen Kanzlergrund hinab. Etwa 2.000 Zuschauer, die es um zehn Uhr morgens bei fünf Grad unter Null in den Schanzenauslauf geschafft hatten, starrten in einen grauen Schlund, der im Minutentakt Skispringer ausspuckte. Die Veranstaltung hatte eigentlich am Vortag stattfinden sollen, aber Schneefall und Windböen sorgten für eine Verschiebung. Am weitesten flog Ronny Ackermann (131,5 Meter), noch ohne Sieg in dieser Saison. „Mit dem ersten Sieg wird es mir verdammt schwer gemacht“, sagte Ackermann nachher, wurde aber von Bundestrainer Hermann Weinbuch ermutigt: „Dann gewinnst du eben bei der WM.“ Björn Kircheisen (19) landete auf Rang fünf. Wenn, wie in Oberhof geschehen, mit Ackermann, Kircheisen und Sebastian Haseney drei Deutsche unter die ersten zehn laufen, ist das eigentlich Grund zum Jubel, Trainer Weinbuch sagte indes, das Ergebnis tue „schon ein bisserl weh“. Immerhin lagen nach dem Sprunglauf vier DSV-Starter unter den besten zehn, und die komplette Okkupation des Stockerls stand in Aussicht. „Es ging dann etwas nach hinten los.“

Das überbordende Selbstvertrauen der Athleten des Deutschen Ski-Verbands (DSV) kommt nicht von ungefähr. Kircheisen trägt das gelbe Trikot des Weltcup-Führenden. Der Nachwuchs drängt mit Macht nach vorn. Matthias Menz, Marcel Hönig, Thorsten Schmitt und Sebastian Haseney stehen für das Konzept des DSV, keine Lücke zwischen Nachwuchs und Etablierten klaffen zu lassen.

Auch in jungen Jahren werden die Athleten hohen Belastungen ausgesetzt. „Wir trainieren spaßvoll“, sagt Weinbuch aber auch über das Erfolgsrezept. Es bestehe zudem Einigkeit unter den Trainern. „Wir können in Ruhe richtungsweisend arbeiten – und weil sich alle einig sind, können die Sportler nicht ausbrechen.“

Weinbuch sieht bereits eine neue Generation vor dem Durchbruch. Auf ewig vorbei scheinen die mauen Neunziger. Die zyklische Krise der Nordischen Kombinierer ist dank Kontinuität und Nachwuchsförderung in eine Phase der Dominanz übergegangen. Obendrein ist eine Verbindung zu den Achtzigerjahren hergestellt, in denen Weinbuch selbst, Thomas Müller, Hubert Schwarz und Hans-Peter Pohl glänzten. Weinbuch ist in seinem Vorhaben, „das Niveau der Skispringer zu erreichen“ – unter Mithilfe von RTL – nicht böse über den harten Konkurrenzkampf. Konnte man sich im schwachen letzten Jahrzehnt noch mit zwei Plätzen unter den ersten 15 für eine Weltmeisterschaft qualifizieren, so müssen heute mindestens zwei Resultate unter den besten zehn her.

Dass diesmal die Etablierten mit Ronny Ackermann (25) vorn waren, empfindet Weinbuch als belebendes Element. „Die Jungen sind am Anfang der Saison nach vorn geprescht, die Alten lassen sich aber nicht die Butter vom Brot nehmen.“

Am Freitag, beim nächsten Weltcup in Oberhof (Ersatz für Reit im Winkl) will Björn Kircheisen das „Pari-Pari-Verhältnis“ (Weinbuch) wieder zu seinen Gunsten verändern. Weinbuch: „Jetzt ist halt der Kirchi wieder heiß.“ MARKUS VÖLKER