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Archiv-Artikel

Bruder soll Schwester ermordet haben

Staatsanwalt: Für seine Tat bestellte der Angeklagte Handschuhe, eine Gesichtsmaske und einen Overall im Internet. Er sei unfähig zum Austausch von Emotionen gewesen und habe sich bedroht gefühlt. Tötungsmethode ergoogelt

Aus blankem Hass hat nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ein Bruder im Januar 2006 seine zwei Jahre ältere Schwester in deren Wohnung in Kiel getötet. Wegen heimtückischen Mordes forderte die Anklage am Montag vor dem Kieler Landgericht neun Jahre Jugendstrafe. Der damals 19 Jahre alte Angeklagte habe äußerst brutal mit einem Werkzeug auf Kopf und Hals der Schlafenden eingeschlagen, sagte Staatsanwalt Matthias Daxenberger. Der junge Mann sei durch Indizien überführt.

Um keine Spuren zu hinterlassen, habe er die Tat „akribisch vorbereitet“, sagte der Staatsanwalt. So habe er Handschuhe, eine Gesichtsmaske und einen Ganzkörper-Overall getragen, die er über das Internet bestellt und bezahlt habe. Der 22-Jährige bestritt die Tat und hat seit dem Prozessbeginn im April geschwiegen.

Das Verbrechen sei durch einen Streit der Geschwister bei einem gemeinsamen Aufenthalt beim Vater in Seesen im Harz ausgelöst worden, als die Schwester Bücher im Zimmer des Bruders einlagern wollte, sagte der Ankläger. Anders als seine lebenslustige Schwester, die nach der Scheidung der Eltern bei der Mutter aufwuchs, habe sich der beim Vater lebende Bruder mehr und mehr in sich zurückgezogen. Er sei sich seiner „Unfähigkeit beim Austausch von Emotionen und inneren Gefühlen“ bewusst gewesen, sein Zimmer habe er als Schutzraum betrachtet, sagte der Staatsanwalt.

Der laut Daxenberger „autistisch anmutende“ Angeklagte habe den Wunsch der Schwester als existenzielle Bedrohung und als „Menetekel einer schmachvollen Niederlage“ gesehen. Die Tat habe er akribisch vorbereitet.

Rund 20 Monate dauerten die Ermittlungen. 50 kriminaltechnische Untersuchungen und ein Fahndungsaufruf in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ waren nötig, bis schließlich der Bruder als Verdächtiger in Untersuchungshaft kam. Der Vater, ein vermögender Privatier, hatte die Polizei alarmiert, als sich seine Tochter nicht wie sonst telefonisch bei ihm meldete.

An der Täterschaft des Sohnes gebe es „keine vernünftigen Zweifel“, sagte Daxenberger. Der Ankläger listete eine Vielzahl von Indizien auf: So recherchierte der 22-Jährige, der in München eine Ausbildung zum Bankkaufmann machte, über das Internet Reiserouten und die Örtlichkeiten in Kiel. Zudem habe er nach den Worten „Erschlagen Methode Kopf“ und „Erschlagen Erstechen Methode Kopf“ gegoogelt. Außerdem habe er seinen Vater dazu bewegen wollen, ihm ein Alibi zu verschaffen.

Zweifel an der Schuldfähigkeit des Mannes hatte der Staatsanwalt nicht. Die Verteidigung will am 24. September plädieren. Das Urteil soll am 29. September verkündet werden. DPA