Das ist die Hauptstadtkommission

Klaus Wowereit will sie. Bundespräsident Rau soll sie ins Leben rufen. Die taz kennt sie schon: die Hauptstadtkommission. Sieben herausragende Köpfe klären bald, welche neue Rolle die Hauptstadt Berlin in der Bundesrepublik Deutschland spielt

von ROBIN ALEXANDER

Eine so genannte Hauptstadtkommission unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten soll nach dem Willen des Regierenden Bürgermeisters klären, „welche Rolle die Hauptstadt im föderalen System Deutschlands spiele“. Eine Frage, die 2003 definitiv ansteht. Schon, weil Deutschland und Berlin zurzeit bekanntlich keine anderen Probleme haben.

Selbstverständlich können nur die vornehmsten Charaktere und klügsten Köpfe diese Schicksalsfrage der Nation klären. Die Besetzung der Hauptstadtkommission erfuhr die taz aus ganz besonders geheimen Quellen.

1. Gregor Gysi (PDS/MDR). Das Comeback des Jahres 2003! Die schnöde Landespolitik hat ihm keinen Spaß gemacht, aber für eine „nationale, intellektuelle Debatte“ ist Gysi immer zu haben. An ihm kommt keine Hauptstadtkommission vorbei. Schon, weil die Idee auf seinem Mist gewachsen ist. Als er noch um das Amt des Regierenden wahlkämpfte, wollte er nicht nur Termine in Niederschöneweide und Lichterfelde wahrnehmen, sondern auch einmal nach Rom. Gucken, wie die Italiener „capitale“ machen. Gysi hat sich damals früh die Urheberrechte an der „Hauptstadtkommission“ gesichert, als er nach der Finanzierung von „Denk- und Mahnmälern“ fragte: „Waren Bayern und Schleswig-Holstein weniger am II. Weltkrieg und dem Holocaust beteiligt als Berlin?“

2. Arnulf „Barrikade“ Baring: Der bedeutendste deutsche Historiker aller Zeiten garantiert die Ausgewogenheit der Hauptstadtkommission: Baring war von SPD bis FAZ schon überall dabei, wo es etwas zu meinen gab. Zuletzt engagierte Baring sich hauptstadtmäßig in der Initiative „Berlin bleibt frei – Liberale für Berlin“. Jüngst rief Baring zur Revolte: Das Bürgertum sollte gegen die rot-grüne Bundesregierung auf die Barrikaden. Wo wohl? Natürlich in Berlin, dem Ort, wo traditionell erfolgreiche Revolutionen stattfinden. Ob die Kartätschen von 1848, die Freikorps von 1919 oder die Russenpanzer von 1953. Diese historische Funktion hat Berlin noch für alle deutschen Staaten erfüllt: Wer aufmuckt, wird hier einen Kopf kürzer gemacht.

3. Sabine Christiansen (ARD): Nein, Klaus Wowereit hat nicht die Tischdame seines Vertrauens als Agentin in die unabhängige Hauptstadtkommission geschleust. Die erfolgreiche Unternehmerin, Moderatorin und „Fleurop-Lady 1997“ sitzt dort aus eigenem Recht: Aus der abgehalfterten Diskothek „Blaue Kugel“ in der Nähe des Ku’damms machte sie das erfolgreichste Talkshowstudio der Republik. Dorthin kommen alle. Alle, die schon immer auf eine Frau einreden wollten, die sie nicht unterbricht und keine Fragen stellt. Alle, die gern zwischen Hans-Olaf Henkel und Angelika Beer sitzen. Alle, die man in der Provinz nicht mehr haben will. Eine wichtige Hauptstadtfunktion.

4. Franz Beckenbauer (FC Bayern): Der „größte Libero aller Zeiten“, Chef des WM-Organisationskomitees und Autor von „Ich – wie es wirklich war“ hatte bisher ein gestörtes Verhältnis zu unserer schönen Stadt. „Berlin hat mit Abstand die schlechteste Bewerbung abgegeben“, grantelte die Lichtgestalt im Sportausschuss des Bundestages und verlegte quasi im Alleingang das WM-Pressezentrum nach München. Schafft man es nicht, Beckenbauer in die Berlin-Kommission zu locken, spielt hier 2006 wohl nur Kamtschatka gegen die Mongolei in Vorgruppe 9. Hoffnung: Der Kaiser ist ein zwar ein Urbayer, aber er hat ein großes Herz. Schon 1983 ließ er sich breitschlagen, für ein Jahr „als Entwicklungshelfer“ in Sachen Fußball in ein dreckiges Nest namens New York City zu wechseln. Angeblich hat Beckenbauer für die Hauptstadtkommission schon zugesagt. Hoffentlich hat ihm jemand gesagt, dass nicht München gemeint war.

5. Beate Wedekind (ex Bunte). Noch eine Münchnerin? Nein: Niemand kennt zwar die Bussi-Bussi-Society an der Isar von Cappuccino-Babs bis Daisy Moshammer so gut wie sie. Aber ihr Handwerk gelernt hat Deutschlands Klatschkönigin an der Spree. Warum Berlin die einzig wahre Society-Hauptstadt ist, weiß Wedekind auch: „Wie attraktiv Berlin als gesellschaftlicher Standort ist, zeigt sich zum Beispiel auch daran, dass Liz Mohn zu ihrem Wohltätigkeitsfest, dem Rosenball, fortan nicht mehr nach Gütersloh einlädt, sondern nach Berlin.“

6. Wolfgang Wagner. Wenn die Hauptstadt der Deutschen ruft, ist ein Enkel Richard Wagners helfend zur Stelle. Warum sollen wir mit der Opernreform Bayreuth kopieren, wenn wir das Orginal kriegen können? Wagner tritt für Deutsche, Komische, Staats- und alle anderen Berliner Opern mit dem Prinzip an, mit dem er in Bayreuth schon 1949 anfing: „Aus der Stätte esoterischer Kulthandlungen eine Werkstatt machen.“

7. Dieter Bohlen (Kommissionsvorsitz): Der Titan aus Tötensen konnte nur von Rau persönlich überredet werden, mitzuwirken. Der Autor, Komponist und Teppichklopfer wohnt im niedersächsischen Nirgendwo, aber er liebt sein Vaterland! Für den Vorsitz qualifizierte sich Bohlen jüngst in einer anderen Kommission mit nationaler Aufgabe: Bei „Deutschland sucht den Superstar“ redete Bohlen für RTL als einziges Jurymitglied Klartext: „Ich werde hier schließlich nicht zum Lügen bezahlt.“ Seinen neuen Auftrag „Was bedeutet die Hauptstadt für die Republik?“ bringt Bohlen so auf den Punkt: Zahltag, Freunde!