Lernen, zu entscheiden

Erste Schwelle zwischen Schule und Beruf: In Hamburg soll eine Messe für Berufsausbildung und Studium den „Einstieg“ erleichtern. Auch die Schulen werden künftig stärker in die Pflicht genommen

von SANDRA WILSDORF

In der Schule – so heißt es – lernst du fürs Leben, aber eigentlich geht es erstmal doch nur darum, einen Beruf zu finden. Und davor warten Hürden: Welcher Beruf soll es sein? Schule, Hochschule oder Lernen in der Lehre? Und wenn man weiß, wohin es gehen soll – wie kommt man hin? Die so genannte „erste Schwelle“, der Übergang von der Schule in den Beruf, ist ein gravierendes, doch öffentlich kaum diskutiertes bildungspolitisches Problem. Denn wer sich falsch oder gar nicht entscheidet, dem drohen Unzufriedenheit oder Scheitern. Die spätere Suche nach Auswegen kostet zusätzliche Zeit und Kraft.

In Hamburg hat deshalb die Hamburger Sparkasse (Haspa) die Initiative für eine Messe für Berufsausbildung und Studium ergriffen und dafür Handels- und Handwerkskammer, Bildungsbehörde, Berufsberatung des Arbeitsamtes sowie Unternehmen und Hochschulen als Partner gewonnen. „Einstieg“ wird von einer gleichnamigen Kölner Agentur organisiert und am 24. und 25. Januar in den Messehallen stattfinden.

„Wir stellen bei den Jugendlichen eine starke Verunsicherung fest“, sagt Thomas Schierbecker von der Handelskammer Hamburg. Und Matthias Saecker, Leiter Aus- und Fortbildung bei der Haspa, bestätigt: „Etwa 40 Prozent der Jugendlichen, die bei uns zu Vorstellungsgesprächen kommen, haben keine ausreichenden Vorstellungen von ihren Stärken und Schwächen.“ Und viele hätten ein völlig falsches Bild von dem Job, für den sie sich bewerben.

Nicht, dass es keine Informationen über die etwa 380 Ausbildungsberufe und über 9000 Studienmöglichkeiten gebe. Aber wo? Und wie gewichten? Die Wirtschaft würde gerne die Schulen noch mehr in die Pflicht nehmen: „Berufsorientierung müsste viel früher eine Rolle spielen, denn schon in der vierten Klasse werden die Geschlechterrollen festgelegt“, sagt Doris Wenzel-O‘Connor, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Schule/Wirtschaft.

Aber natürlich ist Berufsberatung in der Schule nur ein Aufgabengebiet von vielen. Eines, für das es zudem keine Fachlehrer gibt und das deshalb vom Engagement einzelner Pädagogen abhängt. Die Bildungsbehörde will „Berufsorientierung“ daher ab Sommer ganz systematisch zu einer fächerübergreifenden Aufgabe machen und hat dabei bundesweite Modellfunktion. Es wird Rahmenpläne geben, nach denen sich Schüler aller Schultypen ab der fünften Klasse zunächst mit Stärken und Schwächen, später dann mit Berufsbildern, Arbeitsabläufen, Betriebserkundungen, Lebensläufen und den eigenen Bewerbungen beschäftigen. Jeder Schüler soll einen „Berufswahlpass“ führen. Der Ringordner ist in die Rubriken „Information“, „Berufswahl“ und „Dokumentation“ gegliedert und von den Jugendlichen selbst mit Inhalt zu füllen.

Doch Alfred Lumpe, bei der Schulbehörde für Arbeitslehre und Berufsorientierung zuständig, weiß auch, dass diese gute Absicht in Zeiten knapper Kassen wohl „schwierige Veranstaltungen“ mit sich bringen wird. Denn wo etwas hinzukommt, muss auch etwas weg. Er will dennoch einen Paradigmenwechsel: „Weg von der Abschlussorientierung und hin zur Anschlussorientierung.“

Hans-Otto Bröker, Chef der Berufsberatung beim Hamburger Arbeitsamt und Vater eines Sohnes, schwebt beispielsweise vor, dass sein Sohn statt Fotografie in der Oberstufe einen Wahlpflichtkurs Berufsorientierung belegen sollte. Inge Bornemann, oberste Berufsbildnerin bei der Handwerkskammer, reichen alle Lehrpläne, Wahlpflichtkurse und Lippenbekenntnisse nicht. „Die Aufgabe ist so wichtig, dass man dafür auch Ressourcen bereitstellen muss“, sagt sie.

Momentan läuft das meiste noch auf privater Initiative: Die Partnerschaften, die einzelne Betriebe zu einzelnen Schulen haben, die jährlich etwa 100 Lehrer, die in den Herbstferien Praktika machen. Die „Einstieg“ soll der Einstieg in mehr sein.