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Archiv-Artikel

berliner szenen Unten im KaDeWe

Unerwartete Hilfe

„Das muss ein Missverständnis sein“, sagt die junge Frau leise. Ihr Gesicht liegt da wie eine Maske, hell und regungslos. Sie drückt die Hände in die Taschen ihrer Jeansjacke. „Bitte kommen Sie mit, im Büro können wir das klären“, der Mann mit dem Knopf im Ohr wiederholt sich. Er spricht freundlich, aber bestimmt, fest hält er ihren Arm.

Publikum sammelt sich. Der Menschenstrom, der durch die Türen von der Tauentzienstraße drängt, stockt. Etwas Bedrohliches verjagt das luxuriöse Gefühl, das sich sonst beim Betreten des KaDeWe einstellt. Wer hierher kommt, sucht die Parallelwelt des guten Geschmacks, möchte versinken im Reich der Cartier-Vitrinen. Jetzt liegt Schreck auf ihren Gesichtern. Zwei ältere Damen tuscheln und schütteln die Köpfe, ein junger Mann räuspert sich. „Sie kommen jetzt bitte mit, oder soll ich die Polizei rufen? Sie halten schon den ganzen Verkehr auf“, bemerkt der Ladendetektiv und spricht in das Mikrofon vor seinem Kinn: „Bitte Verstärkung zum Eingang Tauentzien.“

„Ich hab nichts Falsches gemacht“, die junge Frau versucht sich mit einem Schritt zur Seite etwas aus der Umklammerung zu lösen, aber die Hand sitzt fest. „Das tut weh“, sagt sie. Der Detektiv reagiert nicht. Routine für ihn. Ein großer Mann um die vierzig tritt neben ihn, auf seiner Glatze scheint matt eine Tätowierung, er trägt eine Bomberjacke und neue Turnschuhe. „Fassen Sie die Frau mal nicht so fest an.“ Der Ladendetektiv stutzt und lockert den Griff um den Arm. Schnell fasst der Glatzköpfige zu, zieht die Hand des Detektivs weg. „Lauf“, ruft er. Sein massiger Körper stellt sich vor die kleinere Gestalt im Anzug. Die junge Frau nutzt ihre Chance, stürzt zur Tür. Niemand stellt sich ihr in den Weg. HENNING KOBER