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Archiv-Artikel

Sparen à la Bremerhaven

Der Berufsausstand wird dem Leiter des ehemaligen Hochbauamts in der Seestadt mit 130.000 Euro abgefedert. Er verlor seinen Posten durch den Umbau der Behörde zum Eigenbetrieb. Die Spitzen der Parteien wollen von nichts gewusst haben

Nachfragen werden unter Hinweis auf die Vertraulichkeit von Personalangelegenheiten abgewehrt

Die Bremerhavener Politik läuft nach einem einfachen Schema. Jeden Freitagvormittag trifft sich in einem Hotel in der Innenstadt der Koalitionsausschuss. Das in der Verfassung nicht vorgesehene und demokratisch nicht legitimierte Gremium beschließt dort die Linien der Politik – an der Stadtverordnetenversammlung vorbei. Spätere Magistratsentscheidungen werden dort vorbereitet. So lief es immer. Doch jetzt reiben sich die Mitglieder ausgerechnet dieser Runde erstaunt die Augen. Dem Gremium, das als die eigentliche Machtzentrale der Stadt gilt, wurde eine Magistratsbefassung vorenthalten. Es geht um eine Abfindung für den im Juli offiziell ausscheidenden Hochbauamtsleiter Kay Roß in Höhe von 130.000 Euro.

Hätten sie davon gewusst, sie hätten den Vorgang gestoppt, sagen nun einige Mitglieder der Freitagsrunde, zu der je vier Vertreter der Parteien der großen Bremerhavener Koalition gehören. Unter ihnen Schwergewichte wie die Landtagsabgeordneten Thomas Röwekamp, Michael Teiser (beide CDU) und Martin Günthner (SPD). Denn nach einem Magistratsbeschluss, der der taz vorliegt, wird der 62-jährige Roß mit 130.000 Euro großzügig abgefunden. Bis zum offiziellen Austrittstermin im Juli wird Roß, der das ehemalige Hochbauamt 24 Jahre lang leitete, zudem offiziell „im Urlaub“ sein. CDU-Landesvize Michael Teiser betont: „Von dieser Regelung haben wir im Koalitionsausschuss nichts gewusst.“

Es sei der für die Stadt günstigste Weg gewesen, sagt Baustadtrat Volker Holm (CDU), der die Beschlussvorlage gemeinsam mit Oberbürgermeister und Personaldezernent Jörg Schulz (SPD) Ende November in den Magistrat einbrachte. Ansonsten hätte die Stadt dem Angestellten bis zum Erreichen des offiziellen Rentenalters in drei Jahren insgesamt rund 70.000 Euro mehr zahlen müssen als jetzt ausgehandelt.

Roß fällt einer Umstrukturierung der Verwaltung zum Opfer. Das Hochbauamt wurde jetzt in den neuen städtischen Eigenbetrieb „Seestadtimmobilien“ überführt. Dort hätte es, so Holm, keine Verwendung mehr für Kay Roß gegeben. Denn dessen bisheriger Stellvertreter ist jetzt technischer Betriebsleiter bei der Seestadtimmobilien.

Davon ausgehend, dass – wie immer – auch diese Tischvorlage in der Koalitionsrunde vorbesprochen worden sei, hatten die Magistratsmitglieder dieser Abfindungslösung zugestimmt. Das Papier wurde hinterher wieder eingesammelt – und so ist es nun schwer, Stellungnahmen zu bekommen. Ein Stadtrat fürchtet jedoch schon Konsequenzen: „Wenn der Druck zu groß ist, müssen wir eventuell darüber nachdenken, diesen Beschluss aufzuheben.“

Es fällt schwer, diesem Kostenargument zu folgen. Roß wurde nach Angestelltentarif 1a bezahlt. Das bedeutet etwa 5.500 Euro monatliche Aufwendungen der Stadt, die Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung bereits eingerechnet. Davon ausgehend hätte Roß, der im Juli 63 Jahre alt wird, in seiner verbleibenden Dienstzeit bis zum Ruhestand etwa seine Abfindungssumme verdient – der Stadt allerdings auch seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt.

Baustadtrat Volker Holm allerdings verweist bei Nachfrage an diesem Punkt auf die „strenge Vertraulichkeit“ von Personalsachen und beteuert, die Lösung sei nicht teurer als eine Weiterbeschäftigung von Roß. Es sei sogar ein Drittel eingespart worden.

Jan-Philipp Hein