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Archiv-Artikel

Ein organisatorischer Saustall in der NPD

Neonazis im Clinch: Der Finanzskandal der Bundespartei verstimmt vor allem die extreme Rechte aus dem Norden. Offenbar will Udo Pastörs, Fraktionsvorsitzender aus dem Schweriner Landtag, NPD-Bundeschef Voigt beerben.

DER FINANZ-JONGLEUR

Ex-Schatzmeister Kemna galt als Voigts Finanz-Jongleur. 1996 übernahm der Voigt-Intimus das Amt. 34 Jahre war er in der NPD, die er nach dem Schuldgeständnis verließ. Mit Privatgeld hatte er oft der Partei geholfen. Die Bundesführung war um so enttäuschter, als ihr einst enger Mitstreiter gestand, in 80 Fällen 741.000 Euro NPD-Gelder in seine mittlerweile insolvente Küchenfirma abgezweigt zu haben. Das Geld ist in der insolventen Firma verloren gegangen, Kemnas Lebensversicherung eingefroren und sein Haus zur Versteigerung ausgeschrieben. AS

Von einem „Skandal erster Ordnung“, spricht Udo Pastörs. In den vergangenen Tagen hat der NPD-Fraktionschef in Schwerin den parteiinternen Druck auf die NPD-Bundesführung in Berlin erhört. Nicht nur er will, dass Parteiboss Udo Voigt Verantwortung für die Veruntreuung von fast einer dreiviertel Million Euro Parteigelder durch den Ex-Bundesschatzmeister Erwin Kemna übernimmt.

„Organisatorischer Saustall“ heißt es bei dem Szeneportal Altermedia, im Forum „Herr Voigt, treten sie zurück“. Pastörs versus Voigt? „Dazu erklärt sich Herr Pastörs im Moment nicht“, sagt NPD-Fraktionssprecher Andreas Molau, räumt aber ein: „Die Diskussion ist nicht abgeschlossen“. Seit der Verhaftung Kemnas im Februar warfen NPD- und Freie Kameradschafts-Anhänger Voigt vor, die Finanzen nicht genügend kontrolliert zu haben. Pastörs schimpfte: „Wenn bei mir Fraktionsgelder wegkommen würden, dann müsste ich zurücktreten“. Auf dem Bundesparteitag in Bamberg fragte er, wie es möglich sein konnte, dass „hunderttausende von Euro ohne Gegenkontrolle hin und her geschoben werden konnten?“

Seit der Verurteilung Kemnas am 12. September versucht Voigt, der Kritik entgegen zu wirken. „Die Parteiführung ist erschüttert, dass sich die erhobenen Vorwürfe bewahrheitet haben“, erklärt er nun und betont: „Erwin Kemna genoss mein Vertrauen“.

Ein spätes Geständnis, um Missstimmungen im Norden entgegen zu wirken. Bei der Urteilsverkündung hatte aber der Richter ausgeführt, dass die Parteiführung wegen fehlender Kontrolle mitverantwortlich sei.

Zwei Jahre und acht Monate Haft lautet bisher das Urteil für Kemna. Eine weitere Verurteilung könnte folgen. „Es läuft ein abgetrenntes Verfahren“, sagt Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer. Darin wird geprüft, ob Kemna auch dem „Deutsche Stimme Verlag“ geschadet haben könnte – er ist auch Geschäftsführer des NPD-nahen Verlags. „Nein, das hat nichts mit der Parteienfinanzierung zu tun“, versichert Schweer, „das ist nicht Gegenstand der Ermittlungen“.

Aussagen, die Parteimitglieder wenig beruhigen dürften. Pastörs schimpfte erneut über die Parteiführung, die „bei den kleinen Mitgliedern den letzten Euro rausholt und einen Gauner wie Kemna unglaubliche Summen veruntreuen“ ließen.

Der Hamburger NPD-Chef und Bundesvize Jürgen Rieger hatte bereits auf dem Parteitag vorsichtig gegen Voigt angemerkt, dass mehr gegen Kemna als für ihn sprechen würde. Als Nachfolger von Voigt eignete er sich öffentlich bisher nicht. In der Partei ist er, wegen seines wenig bürgernahen Auftretens, auch nicht ganz so wohl gelitten. Nach Riegers Wahl klagte Molau: Die Ernennung des Rechtsanwalts zum NPD-Vize sei „eine politische Katastrophe“.

Die Chance für Pastörs auf das Amt ist schwer einzuschätzen. „Zu diesen Spekulationen möchten wir nichts sagen“, erklärt ein Sprecher des Landesverfassungsschutzes. Ein Rücktritt hält Voigt für unnötig, das hätte nichts mit „Verantwortungsbewusstsein“ zu tun. Voigts Kompromiss: den nächsten Wahlparteitag von 2010 auf den November 2009 vorzuziehen. Zynisch heißt es prompt zum Ex-Bundeswehroffizier Voigt beim Onlinedienst Altermedia: „Ein Offizier weiß, wann der Moment gekommen ist, den Revolver zu ziehen und für einen würdigen Abgang zu sorgen“. Voigt würde „lieber darauf“ warten „‘erschossen‘ zu werden“.

Andreas Speit