Bauchweh bei der Basis

Hauen und Stechen im SPD-Unterbezirk Stadt: Der Parteitag ändert den Listenvorschlag der Mandatskommission für die Bürgerschaftswahl und straft den Granden Wolfgang Grotheer ab

Auf den sicheren Plätzen findet man fast nur gestandene Parteifunktionäre

Der Slogan klang wie Hohn: „Für Bremen begeistern“ verlangte der Schriftzug hinter dem Podium im World Trade Center von den über 200 Delegierten des SPD-Unterbezirks Stadt, die am Samstag über ihrer Kandidatenliste für die Bürgerschaftswahl brüteten. Eine – streng nach Regionalproporz zusammengestellte – Mandatskommission hatte ihnen die eingebrockt. Allein: Von Begeisterung war im Saal nichts zu spüren, vielmehr war die Anspannung mit Händen zu greifen – und entlud sich in Änderungsanträgen für die Liste: Erstmals seit 1975 wurde der Vorschlag der Mandatskommission vom Parteitag nicht eins zu eins übernommen.

Bereits in der Generaldebatte zum künftigen Fraktionspersonal übten Redner heftige Kritik am Votum der Hinterzimmer-Genossen. „In unserer Partei grummelt es nicht nur, sie hat massives Bauchweh“, wetterte der Schwachhausener Delegierte Cornelius Noack. Unterbezirks-Vize Frank Schmitz legte sich in einer fulminanten Rede für die abgemeierte Partei-Jugend ins Zeug: „Fast alle, die vor vier Jahren für Aufbruch und Erneuerung standen und sich für die Partei den Hintern aufgerissen haben, gehören dieser Liste nur ganz hinten an“, schimpfte er.

Selbst der Vorsitzende der gescholtenen Mandatskommission, Manfred Fluss, räumte ein, dass er sich „die Liste an einigen Stellen anders“ hätte vorstellen können. Auf den sicheren Plätzen habe man kaum Newcomer, sondern fast nur „gestandene Parteifunktionäre“ platziert. Wenn eine Kommission aber „mit 13 Mitgliedern aus 13 Regionen zusammengesetzt“ sei, dürfe sich niemand über das Ergebnis wundern. Er halte dieses Verfahren „für höchst fragwürdig“, kritisierte Fluss und regte an, das Wahlrecht zu überprüfen: „Wir sollten ein bisschen mehr Demokratie wagen, die Bürger mehr mitbestimmen lassen.“

Bei den einzelnen Vorschlägen der Fluss-Kommission ging es dann zur Sache: Nur die oberen Listenplätze mit Senatoren und Fraktionssprechern wurden ohne Debatte abgenickt, allerdings mit unterschiedlichem Begeisterungsgrad: Während Spitzenkandidat Henning Scherf nur 19 und Sozialsenatorin Karin Röpke gar nur 6 Gegenstimmen bekamen, sprach sich rund ein Viertel der Delegierten gegen Bausenatorin Christine Wischer aus. Besonders Wolfgang Grotheer musste für den Listenvorschlag büßen: Der Unterbezirks-Vorsitzende, der erstmals für die Bürgerschaft kandidiert, erhielt nur 135 von 213 Stimmen.

Der 24-jährige Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Ehmke, ausnahmsweise nicht im edlen Dreiteiler, sondern in Juso-Lederjackenkluft erschienen, war der erste Kandidat, der zum Angriff blies – doch er hatte sich verspekuliert. Mit 94 gegen 115 Stimmen unterlag Ehmke der arrivierten bildungspolitischen Fraktionssprecherin Ulrike Hövelmann, die ihren Platz 16, selbst in Abwesenheit, verteidigte – Ehmke rangiert weiter auf dem sehr unsicheren Platz 30.

Den nächsten Showdown gab es um Platz 20: Dem umweltpolitischen Sprecher der Fraktion, Joachim Schuster, der nur für Rang 28 vorgesehen war, gelang es mit großer Mehrheit, seinen Platz mit Rainer Nalazek zu tauschen. Ausschlaggebend war wohl auch, dass drei Ortsvereine des Beiratsbereichs Hemelingen, aus dem beide kommen, klar für Schuster votiert hatten.

Ein weiteres Revirement betraf den sicheren Listenplatz für Woltermershausen: Die Delegierten tauschten den für Platz 24 vorgesehenen Klaus Dieter Rathjen – neben Björn Tschöpe wäre er das einzige neue Gesicht in der neuen Fraktion gewesen – gegen die langjährige Abgeordnete Edith Wangenheim aus, die bis dato auf Platz 37 rangiert war.

Bei Platz 26 schließlich kam es zu einem heftigen Ringen zwischen Ost und West: Der von der Mandatskommission gesetzte Osterholzer Kandidat Jens Görtz musste sich dem Schwuso-Bundesvorsitzenden Michael Engelmann aus Gröpelingen geschlagen geben. Markus Jox