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Archiv-Artikel

Saddam verwirrt die CDU

Angesichts der Kriegsskepsis in der Union tut sich Angela Merkel schwer mit ihrem Irakkurs – und der Provokation ihres CSU-Kollegen Peter Gauweiler

aus Göttingen PATRIK SCHWARZ

Der Volkstribun fand keinen Widerhall. Zwar tagte der CDU-Bundesvorstand demonstrativ volkstümlich im Göttinger Hotelkomplex „Freizeit Inn“ (mit Sauna, Squash und Kegelbahn), doch für den Appell aus Bayern hatten die Honoratioren am Samstag kein Ohr. Peter Gauweiler – CSU-Bundestagsabgeordneter, begnadeter Populist und Bild-Kolumnist – hatte am Freitag als erster bekannter Kopf aus der Unionsfraktion ein klares Bekenntnis von CDU und CSU gegen den Irakkrieg gefordert: „Ich verlange, dass jeder Einzelne sagt, was er dazu denkt.“ Die bisherige Haltung beider Parteien sei „ein einziges Geeier.“ CDU-Chefin Angela Merkel konterte in Göttingen auf taz-Nachfrage kühl: „Herr Gauweiler wird aus meiner Sicht keine Mehrheiten bekommen für seine Positionen.“

Völlig abbürsten wollte die Unionsfraktionsvorsitzende ihren Kollegen allerdings nicht. So hält sie Gauweilers Forderung nach einer Debatte offenbar für legitim. Die Union müsse zu ihren Prinzipien stehen, sagte Merkel, aber „ich werde das selbstverständlich auch, wenn es Not tut, in der Fraktion gerne diskutieren“. Zwar sei „die Mehrzahl der Verantwortlichen in der Union“ der Ansicht, dass militärische Maßnahmen nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnten, „dennoch sage ich, dass auch in unserer Partei, in CDU und CSU, darüber geredet wird, wie kann man am besten den Krieg verhindern“.

Gauweiler, der 2002 erstmals in den Bundestag einzog, hat in der Fraktion keine Hausmacht, gilt aber als unabhängiger Denker, weil er nach Ende einer langen landespolitischen Karriere keine Ambitionen auf Ämter hegt. Mit seiner Bild-Kolumne, in der er den Widerpart zu Oskar Lafontaine gibt, hat er außerdem ein weithin beachtetes öffentliches Forum. Früher als andere registrierte er die große Zahl von Kriegsgegnern unter den Unionsmitgliedern und -wählern. Eine gestern veröffentlichte Forsa-Umfrage bestätigte indirekt noch mal, dass die US-Politik gegenüber Saddam Hussein Bundesbürger bis weit ins konservative Lager hinein beunruhigt. Laut der Umfrage halten 81 Prozent der Deutschen einen Militäreinsatz gegen den Irak zum jetzigen Zeitpunkt für nicht gerechtfertigt. Vor dem Hintergrund derartiger Zahlen haben es sowohl Merkel wie CSU-Chef Edmund Stoiber bisher vermieden, sich allzu lauthals hinter US-Präsident George W. Bush zu stellen.

Von Rücksichtnahme auf die Kriegsskeptiker in den eigenen Reihen zeugen auch kurzfristige Änderungen an der so genannten Göttinger Erklärung, die der CDU-Bundesvorstand am Wochenende verabschiedete. Dabei wurde gegenüber dem Entwurf eine Passage gestrichen, die ein demonstratives Bekenntnis zum Einsatz militärischer Gewalt enthalten hatte: „Die CDU vertritt deshalb den klaren und eindeutigen Standpunkt, dass Deutschland alle völkerrechtlichen Maßnahmen unterstützen muss, durch die die vom Irak ausgehende Gefährdung eingegrenzt und beseitigt werden kann.“ Stattdessen wird jetzt nur noch in allgemeiner Form an die Bundesregierung appelliert, „auf ‚Sonderwege‘ zu verzichten“. Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch schlug eher verhaltene Töne an: „Die Berichte der UNO-Inspektoren sind der Schlüssel der weiteren Entwicklung.“

Die Zahl der Skeptiker in der Unionsfraktion wächst unterdessen. Nach Berichten vom Sonntag gehören dazu inzwischen mindestens fünf CDU-Abgeordnete. MdB Willy Wimmer, der schon den Kosovokrieg ablehnte, warf der Unionsspitze vor, sie argumentiere teilweise, „als befände man sich bereits auf einem Feldherrenhügel vor Bagdad“.