Himmel, Hölle, Gluck und Offenbach

Schüler des Gymnasiums Am Rübenkamp proben ihre Neufassung von „Orpheus in der Unterwelt“. Mittwoch feiert die Oper Premiere. So setzt sich eine Tradition fort, die bereits seit Jahren nachhaltig von Walle in die Stadt hineinstrahlt

Die Bewegung der Körper verleiht den Tonmasken Lebendigkeit „Weich lösen, nicht wie eine Marionette, die ihre Fäden verliert!“

taz ■ „Nicht einfach die schlaffe Hand ausstrecken, das muss eine absolut herrische Abwehrgeste sein!“ Regisseurin Senta Bonneval arbeitet mit SchülerInnen des Gymnasiums am Rübekamp in Walle, zum wiederholten Mal. Auf Initiative der Musiklehrerin Ingrid Galette-Seidl hin werden dort seit Jahren schon richtige Opern einstudiert. Und längst strahlt dieser Brauch nachhaltig in die Stadt hinein.

Der Stoff wird jedes Mal gleichsam neu entwickelt, immer unter der Fragestellung: Was geht uns das an? So entstanden in den letzten Jahren mit alter und neu komponierter Musik „Hamlet“, „Candide“ und, sehr erfolgreich, das Musical „Hair“.

Nun wird die „herrische Geste“ dem Furienchor aus Christoph Willibalds Oper „Orpheus und Eurydike“ abverlangt. Orpheus soll an seinem Gang in die Unterwelt gehindert werden.

Gebrochen wird das die unsterbliche Liebe preisende Werk Christoph Willibald Glucks vom massiv ironischen „Orpheus in der Unterwelt“ von Jacques Offenbach, das die Mächtigen dieser Welt auf die Schippe nimmt.

Das neue „Produkt“ steht kurz vor der Erstaufführung: Am Mittwoch ist es so weit. Dann feiert „…beinahe Orpheus!“ im Schlachthof Premiere. Die Probenatmosphäre ist intensiv und gespannt. „Konzentration bitte“ – das muss Bonneval in zwei Stunden nur einmal sagen.

Simon Beckmann, der vor Jahren Abitur gemacht hat, ist, wie viele andere Ehemalige, wieder dabei. „Wir wollen inhaltlich was rüberbringen. Dazu taugt alles: die Aufführung, die Ausstattung, aber auch die Grafik“.

Beckmann macht eine Ausbildung zum Mediengestalter. Klar, dass er das Programmheft entworfen hat. Warum Blau und Bordeauxrot? „Das sind Himmel und Hölle“, erklärt er die Farbsymbolik, „und Gluck und Offenbach“.

Ein bisschen verschleiert Senta Bonneval, dass sie sehr präzise Vorstellungen hat. Ihre Korrekturen fallen sehr behutsam aus: „Bitte versteht das jetzt nicht als Kritik!“ Aber gerade das Professionelle, das schon mit den Aufwärmübungen vor der Probe beginnt, tut den Jugendlichen gut: „Es ist die schiere Lust“, sagt ein Schülerin. „Es ist anstrengend und motivierend.“ Einigen hat dieses professionelle Arbeiten den Weg zur Bühne gewiesen: Heute Profi-SängerInnen und SchauspielerInnen, haben sie in dem Projekt erste Theatererfahrungen gesammelt.

„Denkt daran, erst die Bewegung des Körpers bringt die Maske zum Leben“, ermahnt die Regisseurin immer wieder. Die starren, schwarz-weißen Tongesichter haben die Jugendlichen selbst gebaut und gebrannt. Dass das Spielen mit ihnen besondere Schwierigkeiten verursachen würde, hatte Senta Bonneval schon vorher gewusst: Sie erfordern einen ganz anderen Körperausdruck.

Doch sie kann auf gute Ergebnisse verweisen. Im Lach-Chor etwa schüttelt ein Heiterkeitsausbruch die olympischen Götter Offenbachs nur so durch. „Weich lösen“, fordert Bonneval, „nicht wie eine Marionette, die die Fäden verliert“.

Ingrid Galette ist begeistert von ihrer Truppe, die die öffentlichen Aufführungen im Schlachthof präsentiert. „Sie sind so unendlich feurig“, freut sie sich übers Probenniveau. Und auch sie verlangt eine Menge: „Das Traurige muss viel intensiver werden! Das bimsen wir noch.“ Ute Schalz-Laurenze

…beinahe Orpheus!, 15. und 16. Januar, jeweils um 20 Uhr, Schlachtof, Kesselhalle