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Archiv-Artikel

bernhard pötter über Kinder Kinder aus dem Copyshop

Lieber einen Klon als einen Sohn? Das hat was. Man zieht sich selber groß und kann dabei einige Fehler vermeiden

Pullover aus Dralon würde ich zum Beispiel gar nicht erst ausprobieren. Diese ekelhaft kratzigen Dinger auf meiner Haut, die in meiner Jugend auch nur bei dem kleinsten bisschen Schweiß zu textilen Foltergeräten wurden, könnte ich meinem Klon nicht zumuten. Bei meinen Kindern habe ich immerhin die Hoffnung, dass ihnen aus dem Genpool meiner Frau ein Dralon-Resistenz-Gen eingekreuzt wurde. Bei meiner ganz persönlichen Reproduktion wüsste ich, dass Dralon in die Katastrophe führt.

Doch ansonsten hat es eigentlich nur Vorteile, Kinder in Klonarbeit herzustellen. Man weiß, was man tut. Schließlich zieht man sich selber groß. Man bekommt die Chance, alles noch mal und noch besser zu machen. Das ist endlich mal Fortschritt, der seinen Namen verdient. Gelobt seien die Raelianer und Fred vom Jupiter, nach dessen Vorbild wir alle auf der Erde von Außerirdischen geklont wurden.

„Ich glaube, du spinnst“, sagt meine Frau Anna. Wir sitzen vor dem Fernseher und sehen Brigitte Boisselier zu, die die Geburt von „Eve“ verkündet. Für Anna ist das erste menschliche Klonbaby ein Tabubruch – wenn die Raelianer es tatsächlich auf die Welt gebracht haben. Ein Menschenexperiment. Ein Eingriff in die Natur des Menschen. Ein unverantwortlicher Fehler, mit dem weder die Eltern noch das Kind „Eve“ glücklich werden.

Na ja. Einerseits schon. Andererseits ist das doch aber auch unglaublich praktisch, sich selber noch mal nachwachsen zu lassen. Mein Klon bekäme zum Beispiel schon mit 7 Jahren eine Brille und nicht erst mit 15. Er würde deshalb viel früher erkennen, was an der Tafel steht, wann der Bus kommt oder wer in seiner Fußballmanschaft spielt. Ich würde gar nicht erst versuchen, ihm ein Musikinstrument beizubringen. Und ich wüsste, dass es gar keinen Sinn hat, ihm das Comiclesen auszutreiben. Später würde ich ihm raten, sich von Blondinen fern zu halten. Das Leben wäre für alle einfacher: für ihn, für die Lehrer, für die Eltern. Und für die Blondinen.

„Und sie nennen das Kind auch noch Eve“, schnaubte Anna neben mir auf dem Sofa. „Wie Adam and Eve.“ Und wie Christmas Eve, dachte ich. Denn die Raelianer glauben zwar nicht an den Christengott, sondern an ihre Abstammung von Außerirdischen – aber sie verkünden die Geburt der neuen Erlöserin am 2. Weihnachtsfeiertag. Eigentlich keine schlechte Idee: An dem Festtag, an dem Gott nach christlicher Lehre zum Menschen wird, werden die Menschen zu Gott und basteln ihre eigenen Menschen. Die Raelianer treiben auch noch die Idee der Jungfrauengeburt zur logischen Konsequenz. Niemand braucht mehr Sex. Die Zukunft der Vermehrung ist das Genlabor.

Zugegeben: Mit einem romantischen Candle-Light-Dinner und einer Nacht im hormonellen Glücksrausch ist das schwer zu vergleichen. Aber man soll ja nicht immer nur an sich selbst denken. Jonas etwa könnte sich vorstellen, die Besatzung für eine Ritterburg zusammenzuklonen. „Können wir die Kinder nicht einfach kopieren?“, fragt er. „Und ob wir das können!“, sage ich. Wir müssen nur zu Frau Boisselier nach Kanada oder zu Herrn Antinori nach Italien oder zu Herrn Zavos nach Amerika fahren. „Aber die wären dann alle gleich, genau wie du, lauter kleine Jonasse“, warne ich ihn. Hmm. Darüber muss er nachdenken: „Aber mich hättest du am liebsten?“ Hmm. Darüber muss ich nachdenken.

Je länger ich nachdenke und auf dem Bildschirm Frau Boisselier zusehe, desto klarer wird eines: Die Frau ist eine Irre. Und ihr Religionsgründer offenbar nicht weniger. Immerhin war er im vorigen Leben erst Schlagersänger und dann Autorennfahrer. „Stell dir vor, wenn sich das Klonen durchsetzt, ist es aus mit der Evolution“, sagt die Fortpflanzungsexpertin, mit der ich verheiratet bin. „Das hieße, die menschliche Entwicklung würde auf ewig auf dem Niveau dieser Dummbeutel stehen bleiben.“

Gerade will ich ihr Recht geben. Doch da sagt Frau Boisellier den entscheidenden Satz. „Wenn diese Wissenschaft mich geschaffen hat, ist sie gut.“ Moment, denke ich. Frau Boisellier ist 46 Jahre alt. Als sie auf den Weg gebracht wurde, war Klon noch die deutsche Aussprache von Clown. Sie ist also noch auf traditionelle Weise hergestellt worden. Und diese Art von „Wissenschaft“ hat Frau Boisselier, die Dr. Seltsam des Biotech-Zeitalters, geschaffen?

Vielleicht sollten wir es doch lieber mit dem Klonen versuchen.

Fragen zu Klonen? kolumne@taz.de