Strahlender Meiler sorgt für Ängste

Das größte deutsche Atomkraftwerk Gundremmingen ist zum Strahlen-Spitzenreiter unter allen deutschen AKWs aufgestiegen. Bürger fordern Studie zu Kinderkrebs. Betreiber und Umweltministerium sehen weder Zusammenhang noch Gefahr

aus Augsburg KLAUS WITTMANN

Kein anderes deutsches Atomkraftwerk gibt so viel Radioaktivität an die Umwelt ab wie das im schwäbischen Gundremmingen. Mit dieser Aussage wartet der Verein „Energiewende atomkraftfreies Schwaben“ (EwaS) auf. Dort an der Donau stehen ein Altmeiler und zwei laufende 1.300-Megawatt-Reaktoren. Flankiert vom Energieexperten des Bund Naturschutz (BN), dem promovierten Atomphysiker Ludwig Trautmann-Popp, wurde die Werksleitung von Gundremmingen aufgefordert, umgehend aufzuklären, „wie es zu der traurigen Spitzenposition unter den deutschen Atommeilern kommen konnte“.

Die Zahlen stammen aus dem Strahlenbericht der Bundesregierung an den Bundestag (DS 14/9995), und mit einem Mal steht die lange diskutierte Frage nach der erhöhten Kinderkrebsrate im Umfeld deutscher AKWs wieder im Brennpunkt. Der Münchner Physiker Alfred Körblein hatte nach seiner Studie schon vor zwei Jahren die „signifikante Erhöhung der Krebsrate im Umfeld bayerischer Atomkraftwerke“ bemängelt.

Bei einer Pressekonferenz in Augsburg Ende vergangener Woche forderten der BN-Energieexperte Trautmann-Popp und Raimund Kamm von der EwaS das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) noch mit Nachdruck dazu auf, endlich eine umfassende neue Studie zur Krebsbelastung im Umfeld der Atommeiler in Auftrag zu geben. BfS-Präsident Wolfram König hatte im Juli 2001 (taz vom 26. 7. 2001) bereits weitere bundesweite Untersuchungen angekündigt und diese Ankündigung jetzt verwirklicht.

Die Ergebnisse werden erst 2005 vorliegen. Derweil treten in den Energiewendeverein in Schwaben, aufgeschreckt durch immer neue Krebsfälle, mehr junge Mütter ein. Eine von ihnen ist die dreifache Mutter Gabi Olbrich-Krakowitzer. „Immer wieder wird von Krebsfällen im Umfeld berichtet. Auch ich kenne eine Mutter, die wohnt im nördlichen Landkreis Augsburg, und ihr Kind hat Krebs. Das macht mir natürlich Sorgen.“

Diese Sorgen hält der Gundremminger Kraftwerkssprecher Manfried Lasch für völlig überzogen. Unhaltbar seien die seit Jahren immer wieder erhobenen Vorwürfe bezüglich erhöhter Kinderkrebsraten. Dann freilich zeigt er sich doch überrascht von der neuen Spitzenreiterrolle, wiegelt aber gleich wieder ab. „Es ist ein sehr, sehr niedriger Wert, und wir werden in aller Ruhe einmal nachfragen, was demjenigen, der das berechnet hat, da für Annahmen zugrunde liegen.“ Die Strahlenwerte von Gundremmingen lägen noch immer weit unter den amtlichen Grenzwerten von 0,3 Millisievert.

Ins gleiche Horn stößt das bayerische Umweltministerium. Nachdem Ruth Paulig von den bayerischen Grünen umgehende Aufklärung über die radioaktiven Emissionen beim „schmutzigsten deutschen AKW“ gefordert hat, erklärte das Ministerium in München, die Vorwürfe seien allesamt haltlos, der Strahlenschutz in Bayern sei auf höchstem Niveau. Außerdem: „Ein kausaler Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen in der Umgebung von Gundremmingen und den Emissionen des Kernkraftwerkes kann nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht hergestellt werden.“

Doch genau diese Frage muss erst noch geklärt werden, und dazu soll die vom Bundesamt für Strahlenschutz in Auftrag gegebene umfassende Fallkontrollstudie beitragen. Die amtlichen Grenzwerte hält Atomphysiker Trautmann-Popp sowieso für eine reine Rechenspielerei. „Wir akzeptieren die Aussage, das sei ja alles trotzdem noch unter den Grenzwerten, deshalb nicht, weil hier wissenschaftlich äußerst zweifelhafte Daten zurate gezogen werden, um die vielen unterschiedlichen Emissionen – von Strontium bis Plutonium – über einen Kamm zu scheren.“