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Archiv-Artikel

Union schickt Awacs nach Karlsruhe

Muss der Bundestag zustimmen, wenn Awacs-Flugzeuge über der Türkei eingesetzt werden? Nein, meint Rot-Grün. Dann will die Opposition klagen

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Jetzt drohen CDU und CSU im Bundestag mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht. Karlsruhe soll der rot-grünen Koalition verbieten, Soldaten an Bord von Awacs-Flugzeugen über der Türkei einzusetzen, ohne zuvor die Zustimmung des Parlaments einzuholen. Einen Tag nach der Ankündigung des CDU-Außenpolitikers Friedbert Pflüger in der taz forderte gestern Fraktionsvize Wolfgang Schäuble: „Wir sollten einen entsprechenden Bundestagsbeschluss fassen.“

Regierungssprecher Thomas Steg bestritt dagegen, dass ein Mandat notwendig sei: „Es gibt offensichtlich eine unterschiedliche Rechtsauffassung.“ Für den Fall eines Irakkriegs hat der Bundeskanzler den USA den Einsatz von Awacs-Maschinen zugesagt.

Die Opposition könne im Bundestag keinen eigenen Antrag einbringen, erklärte Schäuble, „wir können nur vors Verfassungsgericht ziehen“. Die Union beruft sich auf ein Karlsruher Urteil von 1994 zu Awacs-Flügen, das die damalige SPD-Opposition erzwungen hatte (siehe Text rechts). Steg blieb die Auskunft schuldig, an welchen Punkten die heutige Situation sich von dem Fall 1994 unterscheiden soll. Er sagte nur: „Durch Abstimmungen und Diskussion innerhalb der Bundesregierung ist die Bundesregierung zu dieser Position gekommen.“ Auch sei ihm „kein Ministerium bekannt, das da eine abweichende Position einnimmt“. In einem Vermerk der CDU/CSU-Fraktion, der der taz vorliegt, wird argumentiert: „Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 gilt der Parlamentsvorbehalt für jeden konkreten Einsatz bewaffneter Streitkräfte.“

In der SPD-Fraktion wird der Awacs-Einsatz als Routineoperation über Nato-Bündnisgebiet gerechtfertigt. Pflüger hält eine Beschränkung der Maschinen auf eine defensive Nutzung allerdings für unrealistisch. „Springen dann die deutschen Soldaten mit dem Fallschirm ab?“, fragte er gestern rhetorisch. „Es ist doch geradezu grotesk, so zu tun, als sei das ein Routineflug.“ Sowohl die Aufklärungsfähigkeiten der Awacs-Maschinen als auch ihre Feuerleitfunktion für Kampfjets reichten vom türkischen weit in den irakischen Luftraum hinein. Christian Schmidt, verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, warf der Regierung darum „Feigheit vor der Realität“ vor.

Gleichzeitig wird in der Unionfraktion über einen Ausweg für Rot-Grün spekuliert: Die im deutschen Geilenkirchen stationierten Awacs-Flugzeuge könnten fern des Irakkonflikts über dem US-Luftraum eingesetzt werden, wo dann Awacs mit US-Besatzungen frei würden für den Einsatz im Krisengebiet. Ein ähnliches Manöver gab es bereits während des Afghanistankriegs.