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Archiv-Artikel

Aktenzeichen XY gelöst

Eine „operative Fallanalyse“ verhilft der Bremer Mordkommission zu einem schnellen Fahndungserfolg: Ein 20-Jähriger „aus der Stricherszene“ hat gestanden, am vergangenen Freitag den Rentner Hayo J. mit einer Magnumflasche erschlagen zu haben

Der Täter gab als Motiv an, dass er sich „sexuell bedrängt gefühlt“ habe

taz ■ Mit einem schnellen Fahndungserfolg konnte gestern die Bremer Mordkommission aufwarten: Am Montag wurde der 67-jährige Hayo J. erschlagen in seiner Wohnung in der Daniel-von-Büren-Straße aufgefunden, einen Tag später bereits präsentierten die Beamten den Täter. Ein 20-Jähriger aus dem Bremer Westen hat gestanden, seinen Gelegenheitssexualpartner J. mit einer 1,5-Liter-Magnumflasche Weinbrand mehrfach auf den Kopf geschlagen zu haben – das Opfer erlitt schwere Verletzungen und verblutete.

Hayo J., seit zwanzig Jahren geschieden und Vater von zwei erwachsenen Kindern, hatte sich wohl längst als schwul geoutet. „Alle, die ihn kannten, meinen, er sei homosexuell gewesen“, sagt Staatsanwalt Frank Repmann. J. habe diverse Bekanntschaften zu Männern gepflegt, „meist zu jüngeren aus der Bahnhofsszene“.

Vor etwa einem Jahr soll J. den geständigen jungen Mann dort kennengelernt und seitdem „ein sexuelles Verhältnis“ mit ihm gehabt haben. „Man kann ihn durchaus als Stricher bezeichnen“, so der Leiter der Kriminalinspektion 3, Wilhelm Weber. Allerdings habe der Verhaftete nach dem Abschluss der Sonderschule tagsüber in einem „betreuten Bereich“ gearbeitet und noch bei seiner Mutter gewohnt.

Die Mutter, die von dem Verhältnis ihres Sohnes mit J. wusste, war es auch, die die Kripo ungewollt auf die richtige Spur brachte. Bereits am Wochenende erkundigte sie sich telefonisch bei einem Bekannten von J. nach dessen Verbleib. J. habe sich nicht wie verabredet bei ihrem Sohn gemeldet. Der alarmierte Bekannte suchte am Montag J.s Wohnung auf und entdeckte auf dem Sofa die Leiche.

Dass der Täter eine Decke über dem nackten Körper J.s ausgebreitet hatte, sei ein Indiz dafür gewesen, dass zwischen „Täter und Opfer eine enge Beziehung bestanden haben könnte“, sagte der Vize-Chef der Mordkommission, Axel Petermann. Für diese These habe auch gesprochen, dass die Schläge „mit großer Kraft“ ausgeübt worden seien.

In seiner Vernehmung habe der Täter ein „intimes Verhältnis“ zwischen ihm und J. zugegeben – für das J. freilich Geld bezahlte. Am Freitag nun sei J. „zu fordernd gewesen“, so dass er sich „sexuell bedrängt gefühlt“ habe, gab der Verhaftete an.

„Wenn er nur aus Wut oder Ärger zugeschlagen hat, klagen wir ihn wegen Totschlag an“, sagte Staatsanwalt Frank Repmann. Eine Anklage wegen Mordes käme nur in Frage, wenn der Täter J. in räuberischer Absicht umgebracht hätte. Noch stehe allerdings nicht fest, ob überhaupt etwas aus der Wohnung abhanden gekommen sei.

Dem leitenden Ermittler Petermann gratulierten seine Chefs gestern zu seinem Spürsinn: Der Beamte kenne sich eben bestens mit der „operativen Fallanalyse“ aus, lobte Weber. Die Bremer Polizei sei derzeit dabei, um Petermann eine eigene „Profiling“-Organisationseinheit aufzubauen. Markus Jox