piwik no script img

Archiv-Artikel

MEHR WESSIS ALS OSSIS SIND ARM – FÜR NEIDKAMPAGNEN TAUGT DAS NICHT Mehr Frauen in die Produktion!

Zu einem verblüffenden Ergebnis ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gekommen: Armut ist in Ostdeutschland weniger verbreitet als in Westdeutschland. Prozentual sind im Osten weniger Menschen betroffen, und die Armutsphasen dauern auch nicht so lange. Über die Ursachen schweigt die Studie, weil sie nur beschreibt, nicht analysiert. Aber der Befund liegt nicht an der Methode. Man könnte einwenden, dass das verlangte Einkommen von 50 Prozent unter dem regionalen Durchschnitt in Ostdeutschland so wenig wäre, dass allein deren Sozialhilfe so gut wie jede bedürftige Familie schon aus der Armutskategorie hinauskatapultieren würde. Aber das stimmt nicht. Anders als im Westen sind die Einkommen im Osten wesentlich weniger gespreizt. Wo es also weniger Reiche gibt, leben auch weniger Arme. Und die rutschen dann auch nicht sozial nach „unten“ in die Armutsbevölkerung.

Vor allem im Osten sorgen Sozialversicherungs- und Sozialleistungen für den Schutz vor Verelendung. Pikant: Diese Zahlungen – Renten, Arbeitslosengeld, ABM, Kinder- oder Wohngeld – werden überwiegend im Westen erwirtschaftet, finanzieren aber im Osten die Armutsbekämpfung. Was also prima für eine Neidkampagne taugen würde, ist aber noch nicht die ganze Wahrheit.

Zum einen sind seit dem Abschluss der Datenerhebung im Jahr 2000 viele arbeitsmarktpolitische Instrumente reduziert oder ganz abgeschafft worden. Wie nützlich sie waren, ist an den DIW-Zahlen abzulesen. Zum anderen aber, und wichtiger noch, ist da die im Osten früher und bis heute deutlich höhere Vollzeitbeschäftigung der Frauen. Sie begründet höhere Einkommen der Rentnerhaushalte sowie mehr Arbeitslosengeld und -hilfe in Familien mit Erwerbslosen. Am wichtigsten aber sind die Vollzeit arbeitenden Frauen, die vielfach auch die Arbeitslosigkeit ihrer Männer mitfinanzieren. So hilft von der beruflichen Qualifikation bis zum Kindergartenplatz alles, was Frauen die Vollzeitarbeit ermöglicht, unmittelbar auch der Armutsbekämpfung. Diese Argumentation ist ab jetzt gut belegt. DIETMAR BARTZ