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Archiv-Artikel

Die große Unbekannte

Rechtsanwältin Barbara Fenski bewirbt sich bei den Grünen um die Nachfolge der scheidenden Landeschefin Michalik. Spitzenfrauen begrüßen das, doch aus ihrem eigenen Bezirk kommt Protest

von STEFAN ALBERTI

Eine kaum bekannte 42-jährige Anwältin will Chefin der Berliner Grünen und Nachfolgerin von Regina Michalik werden. „Die Herausforderung reizt mich“, sagte Barbara Fenski gestern, knapp vier Wochen vor dem Grünen-Parteitag am 22. Februar, der taz. Sie ist bislang einzige Kandidatin für die Doppelspitze, der laut Satzung eine Frau angehören muss. Fenski sitzt im Vorstand des linken Grünen-Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, gilt aber als realpolitisch. Ihr Bezirk wird sie offenbar nicht unterstützen. „Das ist völlig ausgeschlossen“, sagte ihr linker Vorstandskollege Dietmar Lingemann. „Die weiß ja noch nicht mal, wie eine Bezirksverordnetenversammlung funktioniert.“

Noch-Chefin Michalik hatte bereits im November angekündigt, nach vier Jahren im Vorsitz nicht mehr zu kandidieren. An der Parteispitze werde man „die Schuttabladestelle für jeden“, resümierte sie. Das könne man nur eine begrenzte Zeit aushalten. Eine Nachfolgerin war seither nicht in Sicht. Abgeordnete und Stadträtinnen bleiben von der Kandidatur ausgeschlossen, nachdem der Landesverband es klar ablehnte, die Trennung von Amt und Mandat aufzuheben.

„Ich wäre nicht Anwältin geworden, wenn ich nicht Herausforderungen lieben würde“, sagte Fenski, die sich inhaltlich nicht äußern will, bevor ihre Bewerbung offiziell den Mitgliedern vorliegt. Ihre Eine-Frau-Kanzlei will sie in jedem Fall weiterführen, ihre beiden Kinder – zehn und elf Jahre alt – hätten ihr grünes Licht für die Kandidatur gegeben. Job, Erziehung und jetzt noch der von Michalik zur Müllabladestelle deklarierte Vorstandsjob? „Ich werde das meistern, sonst würde ich mich nicht bewerben.“

Die Kandidatur kam für den Landesverband weitgehend überraschend. Noch am Mittwochabend und im Laufe des Donnerstags beteuerten Kreis- und Bezirksgruppenobere in Friedrichshain-Kreuzberg, Steglitz-Zehlendorf, Pankow, Neukölln und Spandau, nichts von einer Frauenbewerbung zu wissen. Es sei allgemein ein Problem bei den Grünen, Frauen zu einer Kandidatur für Parteiämter zu bewegen, sagte Thomas Schimmel, Chef der Südwest-Grünen. Pankows Kreischefin Almuth Tharan stützte diese Ansicht. Die scheidende Chefin Michalik mochte aber nicht ausschließen, dass sich noch weitere Frauen bewerben.

Das Echo auf die Bewerbung fiel geteilt aus. Außer ihrem Bezirkskollegen Lingemann, Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele, bezeichnete auch der Kontaktmann der Spandauer Grünen, Frank Koslowski, Fenski als zu unbekannt und chancenlos.

Die Charlottenburger Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig hingegen sagte Unterstützung zu. Fraktionschefin Sibyll Klotz mag zwar generell keine einzelne Bewerbung unterstützen, plädierte aber dafür, Fenski trotz erst zweieinhalbjähriger Parteizugehörigkeit eine Chance zu geben. Michalik sprach von einer interessanten Bewerbung. „Sicher ist sie landespolitisch noch unerfahren, aber das lässt sich nachholen.“ Dass Fenski nicht bekannt ist, sieht Michalik nicht als Nachteil. Auch ihr Ko-Chef Till Heyer-Stuffer galt bei seiner Wahl vor zwei Jahren als wenig bekannt.

Heyer-Stuffer will anders als Michalik am 22. Februar wieder antreten. Gegen ihn kandidiert Thomas Birk aus Charlottenburg-Wilmersdorf. Beide stellen sich derzeit in den Bezirken vor. Die großen Kreisverbände haben sich bislang nicht festgelegt, wen sie unterstützen. Allein aus Zehlendorf ist von einer Tendenz zu Heyer-Stuffer zu hören: Die Reaktion auf Birks Vorstellung am vergangenen Wochenende sei sehr zurückhaltend gewesen.