: Affenstreit kommt in Fahrt
Gesundheitsbehörde hat Hirnforscher Andreas Kreiter offenbar mitgeteilt, dass es in Bremen keine weiteren Makakenversuche geben darf: Bundesweit für Furore sorgen wird der juristische Disput
von BENNO SCHIRRMEISTER
Bremen sorgt in der Forscherwelt für Aufsehen und hat gute Chancen, Rechtsgeschichte zu schreiben: Grund ist ein Brief der Gesundheitsbehörde an die Uni und den Hirnforscher Andreas Kreiter, der dem Vernehmen nach am Donnerstag auf den Weg gebracht wurde. Gestützt auf eine Expertise wird dem Neurobiologen eröffnet, dass Makaken-Versuche in Bremen künftig für ethisch nicht mehr vertretbar gehalten werden.
Das Gutachten entspricht damit den Absichten von Verwaltung und Parlament: Nach taz-Informationen war Tierschutz-Professor Jörg Luy (Berlin) mit der Expertise betraut. Angeblich hatte der bereits 2006 in der Berliner Tierschutzkommission gesessen – die ein analoges Versuchsdesign von Kreiter-Doktorand Alexander Thiele für unzulässig erklärte. Auf den Rechtsweg hatte der sich allerdings nicht eingelassen: Es war ein Erstantrag und er hatte nicht viel zu verlieren. Statt dem Ruf nach Berlin folgte er dem an die University of Newcastle.
Kreiter hingegen, am Wochenende nicht zu erreichen, lebt und forscht bereits seit zehn Jahren in Bremen. Er hatte bereits im Sommer angekündigt, gerichtlich bis in die letzte Instanz für die erneute Genehmigung seiner Versuche zu streiten. Während Wissenschaftssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) Kreiter nahe gelegt hat, mit Familie, Affen und Geräten nach Göttingen überzusiedeln, wo es ein Primatenzenrum gibt, bestärkt die Uni-Leitung den Forscher in seiner kämpferischen Haltung. Sie hat dafür gute Gründe: Die Bremer Kognitionsforschung hat weltweit einen hervorragenden Namen. Sie ist zudem der drittmittelstärkste Bereich der darbenden Hochschule. Und Kreiters Arbeitsgruppe hat mit über anderthalb Millionen Euro erheblichen Anteil daran. Das ist belegbar: So hat die jeweilige Gewinnerin des Sofia-Kovaleskaja-Preises das Recht, mit dem Preisgeld von 900.000 Euro an eine Forschungseinrichtung ihrer Wahl zu gehen. Weltweit. Doris Tsao entschied sich fürs Bremer Zentrum für Kognitionswissenschaften – und dort für die Kreiter-AG.
Juristische Schwierigkeit des zu erwartenden Verfahrens ist, dass das Tierschutzgesetz die „ethische Vertretbarkeit“ der Versuche vorschreibt – ein bewusst unscharfes Kriterium. Denn Ethik kann keine feststehende Größe sein. Der Begriff selbst stammt vom griechischen Wort für Brauch und Gewohnheit ab. Entsprechend argumentiert die Behörde in ihrer Absage mit einem „gewandelten Bewusstsein“. Dessen Wandel muss allerdings tiefgreifend sein angesichts dessen, dass die Experimente zehn Jahre lang vertretbar waren, es aber just in dem Moment nicht mehr sind, in dem der Antrag erstmals konkrete Hinweise auf eine Anwendung am Menschen beinhaltet. Mit Plänen für ein Epilepsie-Diagnose-Gerät haben die Bremer in Kooperation mit der Bonner Uni-Klinik den millionenschweren Innovationswettbewerb Medizintechnik des Bundesforschungsministeriums gewonnen. Die Auszahlung des Preisgeldes von 1,2 Millionen Euro ist an die Fortsetzung der Versuche gekoppelt.
Uneinheitlich und stellenweise überraschend ist die Bewertung der Bremer Versuche in der philosophischen Forschung. So gehört Dieter Birnbacher, Professor an der Düsseldorfer Uni, zu den meistzitierten deutschen Tier- und Bio-Ethikern. Als vor einem Jahr eine unabhängige Kommission die Versuche Kreiters evaluieren sollte, hatte der Vorsitzende des deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel, Birnbacher als Experten nominiert. Und Unrat gewittert, als der den Termin nicht wahrnehmen konnte.
Apel wäre allerdings enttäuscht gewesen von der Expertise: Als die taz Birnbacher bat, sie als Gastkommentar nachzuholen, antwortete der, dass er sich leider „außerstande“ sehe, in der Causa Kreiter „die Rolle des akademischen Tierschützers zu spielen“. Zwar verstehe er sich als Tierschützer, stehe aber „in diesem Fall auf der anderen Seite der Barrikade“.