Rettende Wächter

Im AK Harburg werden Brustkrebspatientinnen die Lymphknoten nur noch entnommen, wenn es sein muss

Ginge es nach medizinischen Studien, hätte Volker Maaßen noch jahrelang Brustkrebspatientinnen gesunde Lymphknoten entfernen müssen. Der leitende Gynäkologe am AK Harburg und seine Kollegen wollten das nicht mehr. Und so wenden sie neuerdings eine schonendere Methode regelhaft an, die es in anderen Krankenhäusern bislang nur unter Studienbedingungen gibt, nach denen nur jede zweite Frau in ihren Genuss kommt.

Bei der herkömmlichen Methode werden neben dem Tumor auch alle Lymphknoten unter der Achsel entfernt – um ganz sicher zu gehen. Häufige Folgen: Schmerzen im Arm, Narben, Schwellungen, erhebliche Bewegungseinschränkungen.

Bei der so genannten Sentinel-Methode wird der Frau vor der Operation eine radioaktive Lösung rund um den Tumor gespritzt. Der Lymphknoten, in den die zuerst fließt, ist der so genannte Wächterlymphknoten. Durch die Lösung identifiziert, wird er bei der Operation herausgeschnitten und im Labor untersucht. Nur wenn er bereits von Metastasen befallen ist, werden die bis zu zehn anderen Lymphknoten entfernt. Ist der Wächter gesund, sind es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die anderen.

Maaßen und sein Team haben die Methode in den vergangenen zweieinhalb Jahren bei über 100 Frauen erprobt: Bei 70 Prozent war der Wächterknoten nicht befallen, „und wir mussten trotzdem weiterschneiden“. Die anschließenden Untersuchungen ergaben: War der Wächterknoten befallen, waren es auch andere Knoten, war der Wächter gesund, war es auch der Rest. Nur zweimal war es anders: Da sah der Wächterknoten gesund aus, bei der Analyse der entnommenen Knoten fanden sich trotzdem Metastasen. „Das würde uns inzwischen nicht mehr passieren“, sagt Maaßen.

„Wir können es aus ethischen Gründen nicht länger verantworten, nach dem Zufallsprinzip 50 Prozent unserer Patientinnen diese innovative Methode vorzuenthalten“, sagt der Gynäkologe. Deshalb kann im AK Harburg jetzt jede Frau wählen, deren Tumor noch nicht größer ist als drei Zentimeter und die noch keine tastbaren Lymphknoten in der Achsel hat. Eine, die sich für diese Methode entschieden hat, ist Heike Thies: „Ich bin froh darüber. Den Frauen bleibt die Bewegungsfreiheit erhalten.“ SAN