: Lieschen Müller, Ottos Verwandte
Auch die weibliche Entsprechung zu Otto Normalverbraucher ging zum Film. 1961 kam er in die Kinos und hieß „Der Traum von Lieschen Müller“. Sonja Ziemann spielte die Hauptrolle. Die Handlung: Eine Bankangestellte träumt vom glamourösen Leben, bis sie sich ihrer Grundbescheidenheit bewusst wird und sich ihre Flausen aus dem Kopf schlägt.
Die Junge Filmkritik verpasste dem Regisseur Helmut Käutner sogleich den Preis für „die schlechteste Leistung eines bekannten Regisseurs“ – die Redaktion konnte die bonbonbunte Ironie des Films nicht nachvollziehen.
Der Typenname Lieschen Müller kommt schon in Romanen des 19. Jahrhunderts vor. Im Volksmund wurde er in Verbindung mit dem Namen Fritzchen genannt. Fritzchen war einst ein Scherzname preußischer Soldaten für ihren König Friedrich Wilhelm I. und übertrug sich zurück auf die Soldaten („Du Fritzchen!“).
Der König regierte das Land von 1713 bis 1740 so sparsam, dass seine Untertanen in großer Armut und ohne Bildung lebten – so wurde Fritzchen zum Inbegriff der Unwissenheit.
Lischen et Fritzchen nannte der Operettenkomponist Jacques Offenbach seinen Einakter von 1863, mit dem er seine Rheumakur in Bad Ems finanzierte. Bekannt blieb davon nur das inhaltsrare Duett „Ich bin Elsässerin / Ich bin Elsässer“.
Hugo von Hofmannsthal hat die Breitenwirkung eines Titelnamens am besten kalkuliert. Er überschrieb seine Neufassung eines alten Singspiels mit Jedermann. Darin beschließt Gott, dass der alte Jedermann, ein hartherziger Reicher, wegen seiner Ungläubigkeit sterben muss.
Offenbar brauchte das gesellschaftliche Führungspersonal jener Zeit über eine solche christlich-demokratische Verschlüsselung noch nicht zur Einhaltung der sozialen Spielregeln aufgerufen zu werden. 1920 wurde „Jedermann“ erstmals vor der Kulisse des Salzburger Doms gespielt. Der Sensationserfolg geriet zum Generalplädoyer gegen Weltkrieg, Krise, Revolution, Boheme und Moderne.
Erika Mustermann ist die Heldin der inneren Sicherheit. Ihr Konterfei prägte Anfang der Achtzigerjahre den Entwurf zum fälschungssicheren Personalausweis und tauchte auch im Infomaterial auf, mit dem die Behörden 1983 vergeblich die Volkszählung gegen eine breite Boykottbewegung durchzusetzen versuchten. Trotz ruinierten Images wurde die Heldin politisch korrekt in Doris Musterfrau umbenannt.
Ihre Verwandten in den USA heißen John und Jane Doe. Im England des 14. Jahrhundert war John Doe der Ersatzname für einen Zeugen, wenn dessen Identität geschützt werden musste. Später hieß so der Rechtsbeistand, um gegen die Vertreibung von einer Farm zu protestieren. Damit vertrat er die breite Bevölkerung und wurde allmählich zu ihrem Synonym. Doe („Wildbret“) hieß ursprünglich ein Wilderer, der auch bereit war, dubiose Rechtsgeschäfte zu bezeugen.
US-Konsumforscher erfanden in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts ein weiteres Paar, um den Durchschnitt mit Namen zu belegen: Joe und Sally Sixpack. BZ