: Bremen im Untergrund
Heute beratschlagt der Beirat Mitte über drei unterirdische Innenstadt-Situationen: Einen angstbesetzten Tunnel für Schulkinder im Doventor, die Bischofsnadel und die Brillunterführung
taz ■ „Freie Fahrt für freie Bürger“: Bahnhofsvorstadt, Brill und Bischofsnadel sind drei Bremer Zeugnisse dieser Siebzigerjahre-Verkehrspolitik: FußgängerInnen sollten ihren Weg wenn, dann unter den Autostraßen hindurch nehmen. Heute sind die Unterführungen alles andere als Wohlfühlorte. Grund genug für den zuständigen Beirat Mitte, eine „Sondersitzung Tunnel in Bremen“ abzuhalten.
Eine Initiative aus BewohnerInnen von Bahnhofsvorstadt und Stephaniviertel meldet sich zu Wort, weil sie den Schulweg ihrer Kinder für zu gefährlich hält. Die Kinder aus der Bahnhofsvorstadt gehören zum Einzugsgebiet der Stephanigrundschule und müssen auf ihrem Schulweg dorthin durch die Wallanlagen, dann durch einen alten, dunklen Tunnel. Über den sagt Reinhild Heider, die verwaltende Bauherrin der Michaeliskirchengemeinde: „Früher gab es da noch einen Kiosk, da war es dort belebter. Seit der dicht ist, ist es immer unheimlicher geworden.“
Auch die Rolltreppe, einst zum Beispiel hilfreich für Eltern mit Kinderwagen, gibt es schon lange nicht mehr. Eine andere – legale – Möglichkeit haben FußgängerInnen aber auch nicht, die breite Kreuzung Daniel-von-Büren-Straße / Doventor / Wall zu queren. Das Problem existiert schon lange. Seit einige Kinder auf ihrem Schulweg im Tunnel eine Begegnung mit einem Exhibitionisten hatten, drängen Eltern und Gemeindeangehörige auf ein schnelle Lösung.
Heider schlägt zunächst zwei provisorische Lösungen vor, bis im Jahr 2005 die Bauarbeiten losgehen, die Faulenquartier und Hafenreviere neu miteinander verbinden sollen. Die eine Lösung schlägt eine Rampe über die Ostzufahrt zur Stephanibrücke vor, eine zweite Idee will den vorhandenen oberirdischen Radweg auch offiziell für FußgängerInnen freigeben. Ein Geländer soll die GrundschülerInnen davor schützen, auf die stark befahrene Straße gedrängt zu werden. Schließlich soll eine Ampel auf beiden Straßenseiten installiert werden.
Die zweite Tunnelgeschichte scheint eine neverending story zu sein: Wie geht es weiter mit der Bischofsnadel? Das Wirtschaftsressort habe viel Geld investiert und müsse nun eingestehen, dass mit den sehr hoch angesetzten Mieten diese Investitionen allein nicht herauszuholen seien, sagt der Amtsleiter im Ortsamt Mitte, Robert Bücking. Leerstand und Schmierereien machen den dort krebsenden HändlerInnen das Leben nicht leichter. „Der Beirat ist sauer, weil hier schon seit zweieinhalb Jahren etwas passieren soll.“ Immerhin würden die FußgängerInnenpassage zwischen Wallanlagen und City täglich 15.000 PassantInnen benutzen, so Bücking. Jetzt könnte doch Bewegung in die verfahrene Situation kommen: Mitte Februar sollen die Wirtschaftsförderausschüsse weitere 300.000 Euro für die Unterführung bewilligen, sicherlich nicht ohne ein Konzept. Der Beirat ist gespannt.
Der dritte Bremer Untergrund liegt am Brill. Von Aufenthaltsqualität für FußgängerInnen kann auch in dieser Souterrain-Ebene kaum die Rede sein. Vor allem die frisch aufpolierte Sparkasse möchte ihre Kundschaft nicht mehr Treppen runter und rauf scheuchen, sondern einen bequemen, ebenerdigen Zugang anbieten. Dafür braucht es allerdings an den oberirdischen Querungshilfen deutlich längere Grünphasen für die FußgängerInnen.
Den Widerpart dazu vertritt der Imbissinhaber unter der Erde, der fürchtet, seine Laufkundschaft zu verlieren. Mitte Februar sollen nun in einem Kompromiss einige der Auf- und Abgänge geschlossen werden, aber nicht alle. Aus diesem Anlass beschäftigt sich der Beirat noch einmal mit dem Brill-Untergrund. ube
Beirat Mitte, Montag, 19 Uhr, Gemeindesaal Michaeliskirche, Doventorsteinweg 51