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wurst-ralle und die käsekrainer von RALF SOTSCHECK

Es fing mit einer harmlosen Frage an. „Kannst du ein paar Käsekrainer für mich vom Dubliner Flughafen abholen?“, hatte mein Freund Klaus-Thomas Mann gefragt, „und sie an die Westküste mitbringen, wenn du am Wochenende kommst?“ Kein Problem, dachte ich mir, solange sie nicht singen. Klaus-Thomas’ Freunde sind auch meine Freunde, selbst wenn es sich dabei um eine Trachtenjodlertruppe handelte.

Am Flughafen kannte niemand die Käsekrainer, obwohl ich ein großes Schild in den österreichischen Landesfarben hoch hielt. Langsam kam mir ein Verdacht. Handelte es sich bei den Käsekrainer möglicherweise nicht um eine österreichische Volkstanzgruppe, sondern um eine kulinarische Spezialität wie die Mozartkugeln? Klaus-Thomas importiert schließlich viele Dinge nach Irland, von Wein bis zu tiefgefrorenen Brezeln aus Bayern.

In der Frachtabteilung von Aer Lingus, der irischen Fluggesellschaft, herrschte reger Betrieb. Neben den Amateuren, wie ich es war, standen die Profis von den Speditionen Schlange. Nach einer Stunde war ich dran. Die 80 Euro, die Klaus-Thomas für die Frachtgebühren avisiert hatte, waren auf 245 Euro angewachsen. „Lagerkosten“, erklärte mir der schlecht gelaunte Frachtabfertiger. „Das Zeug liegt in der Kühlhalle.“ Um eine Trachtengruppe konnte es sich also kaum handeln, die muss man nicht kühlen. Endlich kam ein Angestellter, um mir die Käsekrainer auszuhändigen, doch sein Kollege stoppte ihn: „Das sind keine Musiker, wie er behauptet hat, es ist Wurst“, schrie er, „66 Kilo. Zehn Kilo sind Privatverzehr, aber 66 Kilo sind kommerziell.“ Nun musste das Landwirtschaftsminister eingeschaltet werden.

Ich sollte am nächsten Tag wiederkommen. Noch mal zwei Stunden Wartezeit. Das Ministerium entschied, dass die Sache höchst unrechtmäßig sei. „Es sind Bauernseufzer dabei, die keine EU-Nummer haben“, sagte der Ministerialwurstexperte. „Die muss ich konfiszieren. Sie können sie natürlich vor Ort essen.“ Fünf Kilo Bauernseufzer? Lieber nicht, seufzte ich, entschied mich für das Konfiszieren und ging nach Hause. Eine Stunde später rief der Wurstbeschlagnahmer an und verkündete, er habe die EU-Nummer auf den Bauernseufzern gefunden: „Ganz klein unten auf der Packung. Sie können alles abholen, Sie sind ja offizieller Wurstimporteur.“

Aber nein, entgegnete ich, es handelte sich lediglich um einen Freundschaftsdienst. Ich importiere keineswegs Würste. „Aber Ihr Name steht auf allen Frachtpapieren. Sie müssen jetzt ein Formblatt ausfüllen, damit Sie auch künftig Wurstwaren importieren dürfen. Sie sind als Wursthändler registriert.“ Demnächst würde das Finanzamt vorbeischauen, um zu kontrollieren, wie das Wurstgeschäft läuft.

Meinem Freund Klaus-Thomas, dessen unfreiwilliger wurstimportierender Komplize ich bin, werde ich fünf Bauernseufzer rektal verabreichen, so versprach ich ihm. „Aber wenigstens mit ein bisschen Vaseline“, bettelte er und fragte: „Einverstanden, Wurst-Ralle?“ Für diese Unverschämtheit werde ich noch einen Kilo Käsekrainer hinterherschieben.

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