: Zu wenig Erlöse
AUS BERLIN STEPHAN KOSCH
Der Börsengang der Bahn wird verschoben. Das Bundesfinanzministerium und die Bahn erklärten am Donnerstag gemeinsam, dass der Termin für die Erstnotiz am 27.Oktober nicht mehr gelte. „Wir werden das Vermögen des Bundes nicht zur Unzeit an den Kapitalmarkt bringen“, sagte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Der Börsengang an sich stehe aber nicht in Frage, erklärte er, ohne einen neuen Termin zu nennen. Bahnchef Hartmut Mehdorn sprach trotz des schwierigen Marktumfelds von einer positiven Reaktion der Investoren auf das Vorhaben. Man werde aber angesichts der Verunsicherung an den Kapitalmärkten den Zeitplan anpassen. Der Bund wollte Ende des Monats 24,9 Prozent der Bahn-Transport- und -Dienstleistungstöchter verkaufen und damit die Privatisierung des letzten großen deutschen Staatskonzerns umsetzen. Gestern wollten Banken und Bund die Preisspanne dafür festgelegen. Doch das hat sich angesichts der Finanzkrise nun erst einmal erledigt.
Der Grund für die Verschiebung: Der Bund befürchtet, dass bei der gegenwärtigen Unruhe an den Börsen die Einnahmen deutlich geringer ausfallen als erwartet. Mit bis zu acht Milliarden Euro war zunächst gerechnet worden, zuletzt lagen die Schätzungen bei etwas über vier Milliarden, wobei dabei die aktuellen Kurseinbrüche dieser Woche noch nicht berücksichtigt waren. Bereits am Montag hatte sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sehr zurückhaltend zum Zeitplan geäußert. Auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte gesagt, Anteile würden „nicht unter Wert“ verkauft.
Die Gegner der Privatisierung feierten die Verschiebung schon mal als Teilerfolg: „Das ist wirklich ein Grund zu feiern“, sagte Winfried Wolf vom Bündnis „Bahn für Alle“. „Heute lassen wir die Sektkorken knallen“, sagte Carl Waßmuth, Bahnexperte von Attac. Beide betonten aber, dass eine Verschiebung halbherzig sei, der Bahnbörsengang müsse „ganz ausgesetzt“ werden. „Zentrale Elemente der Daseinsvorsorge dürfen nicht den Renditeinteressen der Aktionäre unterworfen werden“, erklärte Waßmuth.
Auch die Opposition im Bundestag war noch nicht ganz zufrieden. Winfried Hermann, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen: „Wir brauchen jetzt einen Neuanfang in der Bahnpolitik mit neuen Ideen und neuen Leuten. Für uns ist klar, dass es zu einer eigentumsrechtlichen Trennung von Netz und Transport kommen muss, damit für die Zukunft jeder auch nur mittelbare Einfluss privater Investoren auf die Infrastruktur ausgeschlossen werden kann.“ Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagfraktion Horst Friedrich erklärte: „Wir wollen am Ziel der Bahnprivatisierung festhalten.“ Allerdings müsse „das Privatisierungsmodell verbessert werden, und es braucht ein besseres Marktumfeld. Für eine Privatisierung ohne Netz wird sich immer eine Mehrheit im Deutschen Bundestag finden.“