Anklage fordert Höchststrafe für Motassadeq

Im Hamburger Prozess um die Anschläge vom 11. September 2001 plädiert die Bundesanwaltschaft auf 15 Jahre Haft

HAMBURG taz ■ Im weltweit ersten Prozess um die Anschläge vom 11. September 2001 hat die Bundesanwaltschaft gestern vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht die Höchststrafe verlangt. Die Ankläger plädierten auf 15 Jahre Haft für Mounir al-Motassadeq wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie Beihilfe zum Mord in 3.045 Fällen. Sie sahen als erwiesen an, dass der 28-jährige Marokkaner in die Terrorgruppe um den Hauptattentäter Mohammed Atta eingebunden war und die Attentatspläne der späteren Todesflieger aktiv unterstützt habe. „Motassadeq hat die Funktion eines Rädchens im Getriebe erfüllt, um die Maschine am Laufen zu halten“, so Bundesanwalt Walter Hemberger. „Immer, wenn die anderen Hilfe benötigten, stand Motassadeq bereit.“

Dabei räumten die Bundesanwälte in ihrem fünfstündigen Plädoyer ein, „dass die eine oder andere Tathandlung einzeln betrachtet ganz normal erscheint“. Wenn man hingegen alle einzelnen Mosaiksteine zusammenfüge, ergebe sich ein eindeutiges Bild der Tatbeteiligung Motassadeqs: „Er war kein hilfsbereiter, ahnungsloser Student, sondern hat die Terrorpläne der anderen gekannt und aktiv unterstützt.“

Hauptsächlich stützen sich die Bundesanwälte darauf, dass Motassadeq eine Bankvollmacht für das Konto des Todesfliegers Marwan al-Shehhi hatte, als dieser zur militärischen Ausbildung in Afghanistan war. Das Konto sei für die Vorbereitung der Anschläge zentral gewesen, für die das üppige Studienstipendium al-Shehhis aus den Vereinigten Arabischen Emiraten die finanzielle Basis gewesen sei. „Warum“, fragte die Anklagebehörde, „hätte die Gruppe einem Ahnungslosen darüber eine Vollmacht geben sollen?“ Zwar hatte Motassadeq von dem Konto nur einmal 5.000 DM an al-Shehhi und ein weiteres Mal dessen Semesterbeitrag überwiesen. Gerade dadurch aber habe er den Aufenthalt al-Shehhis in Afghanistan verschleiert, bei dem die Anschlagspläne konkretisiert worden seien. „Die hätten sonst auffliegen können.“

Spätestens im Frühsommer 1999 soll die Gruppe rund um Atta sich zu einer terroristischen Organisation mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, den „heiligen Krieg“ mit Waffengewalt zu führen. Motassadeq habe über die Jahre hinweg engen Kontakt zu der Gruppe gehalten, während andere frühere Bekannte sich immer mehr distanziert hätten. „Alle, die dabeiblieben, haben Mohammed Atta unterstützt“, so die Bundesanwaltschaft. „Es gab kein Jein.“ Zudem hätten mehrere Zeugen im Laufe der Zeit eine Radikalisierung Motassadeqs festgestellt. So habe er Begeisterung für den „heiligen Krieg“ gezeigt und auch Selbstmordattentate für zulässig erklärt. „Er hat uns hier auf plumpe Weise darüber zu täuschen versucht, wes Geistes Kind er wirklich ist.“

Der Angeklagte hatte im Prozess beteuert, die Attentatspläne nicht gekannt zu haben und Gewalt abzulehnen. „Es besteht für Sie immer noch die Möglichkeit, durch ein umfassendes Geständnis Ihre Situation zu verbessern“, schloss der Bundesanwalt das Plädoyer. „Nutzen Sie diese Chance.“ ELKE SPANNER