: Unionsländer zögern bei Steuerveto
In die harsche Ablehnung der geplanten Erhöhungen stimmen die meisten Ministerpräsidenten nicht ein. Ihre Etatskönnten ein alternativloses Nein gar nicht verkraften. Die Regierung hält an ihrem „Steuervergünstigungsabbaugesetz“ fest
aus Berlin CHRISTIAN FÜLLER und HANNES KOCH
Viel tut er ja nicht mehr, der abgewählte Finanzminister Niedersachsens, Heinrich Aller (SPD). Gestern aber verkündete er eine Botschaft, die dem künftigen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) gar nicht gefallen dürfte: Das Land Niedersachsen hat im letzten Jahr 1,3 Milliarden Euro weniger eingenommen als im Vorjahr. Das Land zwischen Cloppenburg und Goslar ist arm. Nur noch knapp 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen sind in die Kassen geflossen.
Für Wulff bedeuten diese Zahlen, dass er flugs die Attitüde des Kritikers ablegen und in die Rolle des Landesvaters schlüpfen muss. Er ist jetzt für die maroden Finanzen verantwortlich. Und für die Union bedeutet es, dass sie ihre neue satte Mehrheit im Bundesrat nicht mehr nur für ein „Njet“ benutzen kann.
Die Ministerpräsidenten der Union wollen ihre Position heute Abend mit Fraktionschefin Angela Merkel und dem Finanzexperten Friedrich Merz festlegen. Am Wochenende berät dann der Unions-Fraktionsvorstand. Fest steht freilich schon jetzt: Der kesse Spruch von Hessens Ministerpräsident Roland Koch, das im März zur Abstimmung anstehende „Steuervergünstigungsabbaugesetz“ werde definitiv nicht kommen, bedarf der Interpretation. Sprich: Unter diesem Namen werden die rot-grünen Vorschläge von der gekappten Eigenheimzulage über die verschärfte Dienstwagensteuer bis hin zur korrigierten Unternehmensteuer sicher nicht Gesetz. Aber die Union wird um eigene Vorschläge nicht herumkommen, jedenfalls die Länder nicht. Selbst wirtschaftsstarke Länder wie Hessen, Baden-Württemberg oder Bayern können eine alternativlose Ablehnung finanziell gar nicht verkraften.
Die Sprecher der Kassenwarte aus München, Stuttgart und Wiesbaden hielten sich gestern auffallend zurück. Es blieb den SPD-Kollegen überlassen, ihre Hände auszustrecken. „Auch die CDU-Länder tragen die gesamtstaatliche Verantwortung mit“, sagte zum Beispiel der Düsseldorfer Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD). „Unsere Probleme bei den Einnahmen sind nicht zu lösen, indem man ein Gesetz rundweg ablehnt.“ Will sagen: Die CDU soll Alternativen vorlegen, wenn sie die Länder nicht Pleite gehen lassen will.
Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) dementierte, dass die Regierung ihr Steuergesetz komplett zurückziehen werde. „Das wäre purer Nonsens“, sagte auch der SPD-Finanzobmann im Bundestag, Hans-Joachim Poss. Dann entlasse man die Union ja aus der Klemme, selbst Vorschläge machen zu müssen.
Unter dem Strich gibt es zwei mögliche Szenarien. Erstens: Die Unionsländer lehnen das rot-grüne Gesetz erst mal komplett ab, finden sich danach aber bereit, einzelnen Punkten zuzustimmen. Beide Seiten hätten ihr Gesicht gewahrt. Variante zwei: Die Union blockiert wirklich alles und hofft, ein aus den verhinderten Steuererhöhungen resultierende Wachstum werde die Etats ausgleichen. Falls diese Erwartung nicht zutrifft, muss Rot-Grün im Winter einen Nachtragshaushalt verabschieden, der, so die Hoffnung der CDU, Eichels Reputation weiter zerstört.
Der CDU-Haushaltssprecher im Bundestag, Dietrich Austermann, ist für ein Nachgeben nicht zu haben. Verhandlungsbereitschaft über Einzelposten gebe es nur bei der Körperschaftsteuer. Das für Aktiengesellschaften geltende Prinzip „Gewinne im Ausland, Verluste im Inland“ wolle man nicht länger tolerieren. Weitere konkrete Vorschläge will die Union nicht machen. Sie hofft auf das positive psychologische Signal, dass die rot-grünen „Steuererhöhungen“ vom Tisch seien. Daraus folgten automatisch mehr Wachstum und höhere Einnahmen.