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Archiv-Artikel

Kein Krieg mehr, noch kein Frieden

Heute werden die Sri-Lanka-Friedensgespräche zwischen Regierung und tamilischen Rebellen in Berlin fortgesetzt. Ein von Norwegen vor einem Jahr vermittelter Waffenstillstand hat zu Entspannung geführt, doch der Weg zum Frieden ist noch weit

aus Jaffna und Berlin WALTER KELLER

Auf der wieder eröffneten Landverbindung zwischen dem sinhalesisch dominierten Süden Sri Lankas und dem tamilischen Norden in Richtung der Halbinsel Jaffna warnen alle paar hundert Meter Schilder vor dem Verlassen der Straße. Dreisprachig und mit Totenkopf wird vor Minen gewarnt, die nicht nur entlang der A9 vergraben liegen. Es sollen eineinhalb Millionen sein, die noch geräumt werden müssen. Viele Jahre wird es dauern, bis dieser Schauplatz zahlreicher militärischer Auseinandersetzungen zwischen den srilankischen Regierungstruppen und den Rebellen der „Tamil Tigers“ (LTTE) minenfrei sein wird.

„Die Minen sind das größte Problem für den Wiederaufbau und die Ansiedlung mehrerer hunderttausend Flüchtlinge“, meint Dirk Altweck, der hier für die Deutsche Welthungerhilfe arbeitet. Er unterstützt Flüchtlinge bei der Rückkehr in ihre Heimatgebiete. An Enthusiasmus fehlt es den Rückkehrern nicht. Überall wird gewerkelt, alle Familienangehörigen sind eingebunden in den Bau einer Hütte. An einem Metallgerippe werden Matten aus Palmblättern befestigt, die vor Sonne und Regen schützen. In der Nähe entsteht ein Brunnen. Selvam ist einer derjenigen, die vor zwei Wochen zurückgekehrt sind. Seine fünfköpfige Familie verbrachte die letzten acht Jahre in Flüchtlingslagern. Jetzt hofft sie, dass der Frieden hält. Aber seine Skepsis kann der 40-Jährige nicht verbergen.

Denn 1994 war die Situation ähnlich. Damals versprach Sri Lankas gerade neu gewählte Präsidentin Chandrika Kumaratunga Frieden und ein Ende der vielen Probleme, die seit den 70er-Jahren zur Radikalisierung der tamilischen Minderheit geführt hatten. Seitdem starben 80.000 Menschen im Bürgerkrieg, Hunderttausende wurden zu Flüchtlingen im In- und Ausland. Militärausgaben von jährlich über eine Milliarde US-Dollar, zerstörte Infrastruktur, ausbleibende Investitionen und Krisen im Tourismussektor fügten dem Land schweren Schaden zu.

Der Friedensprozess von 1994 war kurz. „Krieg für Frieden“ nannte Kumaratunga nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der LTTE ihre unsinnige Strategie. Diese sah vor, dass nur die militärische Zerschlagung der LTTE den Volksgruppenkonflikt lösen und so Frieden erzielen könne. Zwar konnten die Streitkräfte die Kontrolle über die Halbinsel Jaffna zurückgewinnen, aber weder stellte sich Frieden ein, noch konnte die LTTE zerschlagen werden. Die Rebellen zogen sich in die südlich gelegenen Vanni-Gebiete zurück.

Der aktuelle Friedensprozess entspringt der neuen Regierung von Premierminister Ranil Wickremesinghe. Er kam Ende 2001 an die Macht und versucht seitdem, Frieden zu schließen und das Vertrauen der tamilischen Bevölkerung zurückzugewinnen. Trotz vieler noch zu lösender Probleme ist die Gesamtlage derzeit eher positiv. Nach 20-jährigem Bürgerkrieg ist das kleine Land im Indischen Ozean während des seit knapp einem Jahr andauernden Waffenstillstands weit vorangekommen. Das ist zum Großteil ein Verdienst des neuen Premiers. Aber auch die LTTE hat durch ihr Einlenken einen Anteil am bisherigen Erfolg, der durch Norwegens Vermittlung möglich wurde.

Hinzu kam eine günstige Konstellation: Auf der einen Seite sah die neue Regierung ein, dass eine militärische Lösung für die nordöstlichen Tamilengebiete das Land in den Ruin treiben würden. Auf der anderen Seite fürchteten die Rebellen, bei Fortführung ihres Kampfes für einen unabhängigen Staat von den USA in deren Kampf gegen den internationalen Terrorismus abgestraft zu werden. Auch scheinen die Verhandlungspartner jetzt verlässlich zu sein. Die LTTE-Führung hat ihre Organisation so weit im Griff, dass eine Spaltung in Maximalisten und Realisten derzeit nicht droht. Die Regierung vermochte es wiederum, alle Angriffe aus dem sinhalesisch-nationalen Lager abzuwehren. Dort verdammen nicht wenige den Friedensprozess als Ausverkauf an die Tamilen.

Viermal trafen sich die ehemaligen Kontrahenten bisher zu Friedensverhandlungen in Thailand. Heute und morgen wird erstmals in Norwegens Botschaft in Berlin weiter verhandelt. Da die Gesundheit des in London lebenden LTTE-Unterhändlers Anton Balasingham angeschlagen ist, soll ihm damit die lange Reise nach Thailand erspart werden.

Zu den Themen, die in den letzten Monaten angepackt und teilweise gelöst wurden, zählt die Normalisierung des Reiseverkehrs zwischen dem Norden und Süden Sri Lankas. Die Regierung hob die Wirtschaftsblockade über viele von der LTTE kontrollierte Landesteile auf. Fisch oder landwirtschaftliche Produkte können über die wieder eröffnete A9 ausgetauscht werden. Tausende Menschen reisen trotz der Minen täglich hin und her. Zugelassen wurden auch LTTE-Büros in bisher von Regierungstruppen kontrollierten Bürgerkriegsgebieten. Jetzt können sich die Rebellen dort auf die geplante Übernahme der Verwaltung vorbereiten. Bereits während der letzten Jahre haben sie in vielen Nordost-Gebieten parallele Regierungs-, Verwaltungs- und Rechtsstrukturen aufgebaut, die jetzt der Selbstverwaltung dienen können. Wie, ist noch die Frage. Dies sollen die Gespräche ebenso beantworten wie die Frage nach föderativen Konzepten. Zu klären sind noch viele heikle Fragen wie zum Beispiel die Freilassung von Kindersoldaten. Auch der Weg zum Frieden hat noch viele Minen.