Haus will nicht untern Hammer

Das Haus Reichenberger Straße 114 in Kreuzberg soll zwangsversteigert werden. Die Bewohner wehren sich und planen eine Demo gegen Gentrifizierung im Kiez

Die Reichenberger Straße 114 hat viele Freunde. Zumindest haben sich auf Myspace der Freiraum „Action Vorarlberg“, das Wiener Kulturzentrum EKH, das Tommy Weissbecker Haus und der RAW-Tempel derart geoutet. Und die BewohnerInnen der „Reiche 114“, wie sie ihr Haus selbst nennen, brauchen viele Freunde. Am heutigen Dienstag soll das Haus für 1,6 Millionen Euro zwangsversteigert werden.

Das Gebäude wird potenziellen KäuferInnen als „sechsgeschossiges Mehrfamilienhaus mit ausgebautem Dachgeschoss, Seitenflügel und Quergebäude; eingeschossige Remise und fünfgeschossiges Fabrikgebäude“ annonciert. Die BewohnerInnen werden nicht erwähnt, beschwert sich Simone, die im unsanierten Hinterhaus wohnt. Die anderen Teile des 1988 kurz besetzten und während der ersten rot-grünen Koalition legalisierten Hauses kamen noch in den Genuss von Sanierungsbeihilfe. Doch die lief irgendwann aus und die 16 BewohnerInnen der ehemaligen Fabrik reparierten selbst das Dach oder die Wasserversorgung. „Dafür können wir immer noch zu unseren Bedingungen in dem Hinterhaus leben“, betont Simone. Statt kleine Einzelwohnungen gibt es auf jeder Etage eine große Küche. Auch die Miete ist im unsanierten Gebäudeteil noch relativ niedrig.

Sollte das Haus jetzt verkauft werden, befürchten die BewohnerInnen massive Nachteile. „Deshalb ist unser Ziel, die Versteigerung zu verhindern. Darin sind sich alle Teile des Hauses einig“, betont Jan, der im sanierten Gebäudeteil wohnt.

Die BewohnerInnen haben dabei nicht nur ihr Haus im Blick. „Der Kiez um die Reichenberger Straße ist ein Zuzugsgebiet einkommensstarker Haushalte, die Tendenz zur Gentrifizierung ist deutlich“, fasst Sigmar Gude vom Stadtplanungsbüro Topos die Ergebnisse seiner neuesten Studie zur Mietentwicklung und Sozialstruktur in SO 36 zusammen. Sinnbild dieser Tendenz ist das im Bau befindliche Carloft schräg gegenüber von der Reiche 114. „Mit dem Garten und dem Auto direkt auf der Etage“, heißt der Werbespruch für die Luxus-Eigentumswohnungen mit Garage direkt in der Wohnung. „Manche der InteressentInnen, die sich in den letzten Wochen unser Haus angesehen haben, wollen hier ein ähnliches Luxusprojekt hochziehen“, sagt Simone. „Deshalb stellen wir unseren Widerstand gegen die Versteigerung in einen Zusammenhang mit der Ablehnung einer Gentrifizierung“, betont Jan. Kontakte mit Initiativen wie Mediaspree versenken oder der Berliner Mietergemeinschaft wurden geknüpft.

Zurzeit bereitet ein Bündnis, an dem auch die Reichenberger Straße 114 beteiligt ist, für den 29. November eine Demonstration gegen steigende Mieten und Verdrängung in Kreuzberg und Nordneukölln vor. Am Samstag haben die BewohnerInnen der Reiche 141 das Cafe „Carloft“ eröffnet und für Proteste gegen die heutige Zwangsversteigerung geworben. Da wird sich zeigen, ob die Reichenberger Straße 114 nicht nur virtuelle Freunde hat. PETER NOWAK