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Archiv-Artikel

Die Urlaubsinsel im Naturschutzgebiet

Das größte Ferienresort Nordeuropas soll an der Mündung der Schlei in die Ostsee entstehen. Für 500 Millionen Euro wird ein ehemaliger Marinehafen umgebaut. Das benachbarte Schutzgebiet gerät dadurch in Gefahr: Der Nabu klagt Baustopp ein

EIN MARINEHAFEN WIRD ZIVIL

Jahrzehntelang war die Bundeswehr einer der größten Arbeitgeber in Norddeutschland. Auf 33.000 Stellen für zivile Angestellte allein in Schleswig-Holstein bezifferte die Wehrbereichsverwaltung Nord den Personalbestand im Jahr 2004; in Hamburg und Niedersachsen zusammen waren es etwa genauso viele. Trotz monatelanger Proteste von Landes- und Kommunalpolitikern quer durch die Parteien verkündete das Verteidigungsministerium im November 2004 die Schließung von 30 Standorten in Norddeutschland, davon 13 in Schleswig-Holstein. Einer davon war der Marinehafen Olpenitz. Im Mai 2006 wurden die sechs Schiffe des dortigen Minensuchgeschwaders nach Kiel verlegt, am 21. Juni zogen die letzten Soldaten ab. Bis zu 1.000 Arbeitsplätze sollen dadurch verloren gegangen sein.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Der erste Spatenstich für Port Olpenitz könnte auch der letzte sein. Es ist vielleicht, wie Chefplaner Jaska Harm behauptet, „Nordeuropas größtes Ferienresort“, zumindest aber das größte Tourismusprojekt an der deutschen Ostseeküste, für dessen Errichtung am heutigen Mittwochvormittag Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) symbolisch die Schaufel schwingt. Gleichzeitig leiten die Gegner des Projekts juristische Schritte ein. Vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig reicht der Naturschutzbund (Nabu) Schleswig-Holstein heute einen Eilantrag auf Baustopp ein. „Wir wollen Port Olpenitz verhindern“, sagt der Landesgeschäftsführer des Nabu, Ingo Ludwichowski.

An der Mündung des Ostseefjords Schlei will Harm den ehemaligen Marinehafen Olpenitz (siehe Kasten) zu einer Freizeitidylle der exklusiven Art umbauen. Auf dem 175 Hektar umfassenden Gelände, größer als Europas bislang größte Baustelle in der Hamburger Hafencity, sollen etwa 1.000 Ferienhäuser und mehrere Hotels mit 7.000 Betten an einem 4,5 Kilometer langen Strand entstehen. Hinzu kommen ein Schwimmbad, eine Event-Arena für 1.500 Zuschauer, ein Golfplatz, eine Sporthalle und eine Ski-Langlaufloipe. Die einst angedachte Skihalle zum Abwärtswedeln wurde wieder gestrichen.

Mindestens 500 Millionen Euro will Harm zusammen mit einem texanischen Investor investieren, erste Schätzungen gingen sogar von 700 Millionen aus. Im Mittelpunkt des Areals steht das 80 Hektar große Hafenbecken. Wo bis vor gut zwei Jahren Fregatten lagen, sollen bereits im Sommer 2010 bis zu 2.500 Yachten und Segelboote liegen. Auf drei künstlich aufgeschütteten Inseln im größten privaten Hafen der Welt entstehen Ferienwohnungen, das sei „finanziell aufwändig, aber wichtig fürs Konzept“, sagt der 39-Jährige.

Marnette freut sich schon auf die versprochenen mehr als 1.000 Arbeitsplätze und schwindelerregende Steuereinnahmen, wenn in fünf Jahren die Gesamtanlage fertig gestellt sein sollte, die Stadtverwaltung des zehn Kilometer entfernten Kappeln, zu dem das Areal gehört, ebenfalls. Im Sommer wurde das Projekt im Stadtrat genehmigt, nun soll der Bau beginnen.

Und wenn der Berliner Harm schwärmt von der einmaligen Lage des Resorts, in dem es „Neubauten direkt am Meer ohne Straße dazwischen“ geben werde, von dem „besten Segelrevier der Ostsee vor der Tür“ und der vielen unberührten Natur drumherum, dann sagt Umweltschützer Ludwichowski, das solle besser auch so bleiben.

Die nördlich an Port Olpenitz grenzende Schleimündung sei „eines der wertvollsten Flachwassergebiete des Landes“, sagt der Mann vom Nabu. Es ist als Vogelschutzgebiet ausgewiesen und anerkannt nach der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH). Und der nordwestlich in die Schleimündung hineinragende Olpenitzer Haken ist ein Naturschutzgebiet. Dieses sollte, so empfahl es auch das Landesamt für Naturschutz schon 2005, um die Fläche an der Ostsee erweitert werden. Genau dort aber will Harm die teuersten Urlaubsvillen – „Kaufpreis ab 400.000 Euro aufwärts“ – mit unverbaubarem Meeresblick errichten.

Ebenfalls mit Argwohn betrachtet der Nabu die Baupläne für den schmalen Damm zwischen Hafenbecken und Schlei. Ebenso wie der Haken war diese schmale Landzunge in vier Jahrzehnten Marinepräsenz weitgehend ungestört, wurde aber – um die militärische Nutzung nicht zu stören – nie unter Schutz gestellt. Vor allem die ökologisch wertvollen Bereiche am Schleiufer, die Rast- und Brutplätze für etliche gefährdete Vogelarten sind. Die aber seien in Gefahr, wenn dort ein Uferwanderweg entstehe. Die gesamte Halbinsel sei deshalb, so Ludwichowski, „aus Naturschutzsicht komplett von Bebauung freizuhalten“.

Für Harm kommt das natürlich nicht in Frage. Im Gegenteil, dieses Gebiet soll der erste Bauabschnitt sein. Denn den Erlös aus dem Verkauf der Luxusvillen hat er fest eingeplant als Finanzspritze für die teuren Großvorhaben. Für den Yachthafen samt Ferienhausinseln müssen zunächst Millionenbeträge investiert werden, die sich erst langfristig amortisieren. Und außerdem gefällt es Harm dort selbst sehr gut: Das allerletzte Grundstück vor dem Naturschutzgebiet hat er für sein eigenes Feriendomizil reserviert.