Fehlstart des Gerichts

Der Prozess gegen den Ex-Volksbankchef Ulrich Misgeld und vier Mitangeklagte wurde nach 40 Minuten vertagt

Alles umsonst. Rund 50 Kameraleute und schreibende Journalisten, betroffene Bürger und interessierte Exbanker waren gestern Morgen neun Uhr im Moabiter Kriminalgericht erschienen. Sie wollten den Prozessauftakt gegen den Ex-Volksbankchef Ulrich Misgeld und vier weitere Angeklagte anschauen. Aber Fehlanzeige. Nach rund vierzig Minuten vertagte sich das Gericht auf den kommenden Dienstag. Nicht einmal die Anklageschrift wurde gestern verlesen.

Alle fünf Verteidiger beantragten die Vertagung, nachdem der Vorsitzende Richter Heinz-Georg Gahlen gleich zu Prozessbeginn einen neuen Schöffen vereidigt hatte. Man müsse sich erst mit der neuen Besetzung des Richterkollegiums vertraut machen, lautete das Argument der Anwälte.

Den Satz des Tages formulierte gestern Richter Gahlen. „Wenn das Gericht aus der Pause kommt, brauchen Sie nicht extra aufzustehen. Das hilft uns in der Sache auch nicht weiter“, sagte Gahlen an Zuschauer und Verteidigung gewandt. Vor Gericht ist es üblich, sich von den Sitzen zu erheben, wenn die Richter den Saal betreten. Zweimal kamen Gahlen und seine Beisitzer aus dem Pausenraum. Zuerst hatten die Verteidiger über den Vertagungsantrag beraten. Als dieser dann gestellt war, zog sich das Gericht zurück, um ihn zu diskutieren.

Der richterliche Verzicht auf das übliche Ehrenritual steht symbolisch für das sich seit Jahren hinschleppende Verfahren. An einer Formsache scheiterte nicht nur der gestrige erste Verhandlungstag. Zuletzt gelang es den Verteidigern im November 2000 den Beginn hinauszuschieben. Damals argumentierten sie, zusätzliche Akten einsehen zu müssen.

Ulrich Misgeld steht unter dem Verdacht, mehr als 600 Fondsanleger um ihr Geld geprellt zu haben. Die Volksbank habe unter seiner Leitung in wenig gewinnträchtige Dresdner und Berliner Projekte investiert.

Vor dem Gerichtssaal kündigten die Anwälte gestern Aussagen ihrer Mandanten an. Er gehe davon aus, dass Misgelds Mitangeklagter Peter Schiansky freigesprochen wird, sagte Anwalt Heinz-Joachim Hentschke.

MATTHIAS BRAUN