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Archiv-Artikel

Furiose Kolibri-Monster

Dynamisches Farbgewitter: Christian Hahns Ausstellung „Brutstätte“ in der „Standpunkt“-Reihe der Kunsthalle

Bunter, noch bunter, am buntesten. Groß, größer, supergroß. Die junge Malerei schreit im grellen Farbrausch, stopft Kitsch und Pop und funky Farben in eine große Kruschkiste. Hier darf dann mit schmutzigen Fingern und großer Lust herumgekramt werden.

Christian Hahn ist einer dieser jungen Maler, die uns zurufen: „Die Malerei ist wieder da!“ Und weil sie offenbar so lange weg war, kommt sie groß daher – und mit lautem Knall. Dass Hahn ganz selbstverständlich in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts umherschnuppert, Oldenburgs Pop-Art-Knautschobjekte genauso zitiert wie Polkes Siebdrucke, dass er Grafitti, bunte Pril-Blumen und den Surrealismus zusammenwürfelt, Kolibris neben Eisbären auf die Leinwand setzt, all das braucht nicht mehr zu erstaunen.

Überraschend allerdings, wie gut er das kann: In der „Standpunkt“-Reihe der Kunsthalle zeigt er derzeit neue Arbeiten. Hahn ist ein guter Maler und beherrscht sein Metier quer durch die Stile: Kleine Vögel malt er beinahe altmeisterlich genau, auch schmutzige Turnschuhe – bei Südfrüchten mag er‘s lieber ein bisschen hingehuschter. Mal sind die leuchtenden Regenbogenfarben fein durchgearbeitet, dann wieder stehen sie pastos auf der Leinwand.

Doch auch in schwarzweiß kann Hahn die Welt auf den Kopf stellen: Im ersten Ausstellungsraum hat er direkt auf die Wand gemalt, lässt Wolkenkratzer zusammenfallen und schwarze Vögel durch die Straßenfluchten segeln. Zurück bleiben nur einige Speedlines, die Geschwindigkeitslinien der Comics, die Hahn in seiner Kindheit verschlungen haben mag. „Temperamentvolle Peinture“ nennt der kleine Katalog dieses visuelle Gewitter – und Werner Büttner, einer der Lehrer des 1969 geborenen Illustrators und Malers an der Hamburger Kunsthochschule, bezeichnet dies als „abstrakten Surrealismus“.

Hahns kleine Ausstellung Brutstätte wirkt wie eine Achterbahnfahrt mit ungewissem Ausgang. Denn seine Kolibris sind angsterregende Monster in grellen Farben. Ausgerechnet ein Imker scheint sie freigelassen zu haben, und jetzt stürzen sie von der Leinwand wie die Häusertrümmer in der Explosionsszene aus Antonionis Zabriskie Point. Auch Christian Hahn ist ein Meister eines solchen furiosen Bildtheaters. Also rette sich wer kann: Wer nicht bei Fünf in den Schuhen ist, geht garantiert verloren in den unendlichen Weiten dieser Sci-Fi-Fantasy-Welt.

Marc Peschke

Di–So 10–18 Uhr, Do bis 21 Uhr, Kunsthalle; bis 4. Mai