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Archiv-Artikel

Übrigens: Der Krieg hat schon begonnen

Mitten in Berlin marschieren Uniformierte am ehemaligen Checkpoint Charlie auf. Waffenstarrend demonstrieren sie für mehr Krieg. Zu sehen waren Holzgewehre mit der Aufschrift „Friedensbringer 3000“. Demos können Spaß machen

Finster blickten sie unter ihren Baretten hervor. Hochgeschnürte Stiefel, Uniformmäntel und Armeehosen, wohin man sah. Der ehemalige Checkpoint Charlie am U-Bahnhof Kochstraße war gestern Aufmarschplatz für eine sehr spezielle Waffengattung: die Spaßguerilla.

Mit sich brachten die uniformierten Demoteilnehmer allerlei selbst gebautes Kriegsgerät. Eine große Rakete trugen sie auf den Schultern, andere einen schwarzen Sarg, der mit einer Deutschlandflagge bedeckt war. Holzgewehre mit der Aufschrift „Friedensbringer 3000“ hatten die Demonstranten auf die Schultern gestützt. Auf einem Transparent stand „Dear Bundeswehr, I like you sehr“. Sie skandierten, durch Megafone verstärkt: „Mehr Krieg für Deutschland!“ Die inoffiziell Uniformierten begleiteten jeden Satz mit zustimmendem Kriegsgeheul.

Der Demonstrationszug von der neuen Nationalgalerie am Landwehrkanal in Mitte zur Friedrichstraße war bei der Polizei mit 900 Teilnehmern angemeldet worden. Ihnen hatten sich 120 Beamte entgegengestellt. Anfangs war das Kräfteverhältnis umgekehrt. Vier Polizeibeamte umringten ein in Militarykluft gekleidetes Mädchen und entwaffneten es. Es musste seine Wasserpistole von der Schulter nehmen. Ein Polizist schraubte den Wassertank auf und lugte hinein. Als sich die Beamten sicher waren, dass sich nichts Gefährliches darin befand, durfte es sich zu den anderen stellen.

Am Rand der Demonstration erklärte Markus Reuter, Mitveranstalter und Student an der Freien Universität, das wahre Anliegen der martialischen Kundgebung: „Wir wollen den Krieg sichtbar auf die Straße tragen. Er wird zu oft als chirurgischer Eingriff dargestellt.“ Tillmann Müller-Kuckelberg, der das Kriegsspiel bei den Behörden angemeldet hat, zweifelt am Nein der Bundesregierung zu einem Krieg im Irak. „Ginge es uns wirtschaftlich schlechter, wäre Deutschland wieder dabei“, glaubt er. Beide stellten sich gegen jede Beteiligung Deutschlands und lehnen auch einen amerikanischen Einsatz von Deutschland aus ab.

Zunächst kam der Zug nicht recht in Bewegung. Der Generator für die Musik- und Sprechanlage war ausgefallen und lief erst nach über einer Stunde an. Jubelstimmung kam vor der Neuen Nationalgalerie erst auf, als die vermeintlichen Soldaten auf die echten Soldaten trafen. An der Ampel vor der Nationalgalerie hielt ein Bus der Offiziersschule des Heeres aus Dresden. Die uniformierten Spaßguerilleros rissen die Hand an die Barette und Stahlhelmimitate und salutierten unter dem Applaus ihrer rund 200 Mitstreiter vor den deutschen Soldaten. Der Kriegswagen, der die Demonstration auf dem Weg zur Friedrichstraße anführte, bestand aus einem Jeep aus alten Bundeswehrbeständen und einem flachen Hänger. Darauf stand ein Raketenwerfer, aus Holz gezimmert. So wird das nichts mit dem Krieg.

CHRISTOPH TITZ