: „Ich muss wissen, was ich will“
Seniorenheime sind keine Verwahranstalten mehr. Trotzdem können nicht alle auf individuelle Wünsche reagieren. Entscheidungshilfen für der Suche nach dem geeigneten Heim liefert die hannoversche Pflegeberaterin Marita Koch
INTERVIEW PETRA SCHELLEN
taz: Frau Koch, wer kann mich bei der Auswahl eines Seniorenheims beraten?
Marita Koch: Zum Beispiel die Johanniter, die Caritas, das Rote Kreuz oder die Diakonie. Die betreiben zwar meist auch eigene Heime, beraten aber durchaus neutral. Außerdem kann man sich an die städtischen Pflege- und Wohnberatungen wenden. Davon gibt es aber noch nicht so viele. Auch Seniorenberatungszentren und Pflegestützpunkte – weitere Ansprechpartner – existieren noch nicht überall.
Welche Heimträger gibt es?
Kirchliche, städtische und private. Alle bieten Heimplätze in unterschiedlichen Preislagen an. Auch bezüglich der Pflegeleistung gibt es hier keine Hierarchie. Wichtigster Unterschied ist das Leitbild: Bei kirchlichen Heimen gilt das Handlungsprinzip der christlichen Nächstenliebe, während sich die städtischen und gewerblichen Heime auf den ersten Paragraphen des Bundesgesetzbuchs berufen, der die Unantastbarkeit der Menschenwürde formuliert.
Das schließt sich nicht aus.
Nein, aber die kirchlichen Heime haben einen höheren Anspruch, was das Engagement betrifft. Wie weit der greift, hängt natürlich vom Personal ab.
Existieren qualitative Unterschiede zwischen den Betreibern?
Nein. Die Heime haben bezüglich der Qualifikation des Personals und der Bezahlung sehr ähnliche Strukturen. Ein Heim der Diakonie ist also nicht per se besser als ein städtisches.
Ist die Qualifikation des Personals gesetzlich festgelegt?
Verpflichtend ist die Fachkraftquote: 50 Prozent des Personals müssen examinierte Kranken- oder Altenpfleger sein. Heime, die eine Dementenwohngruppe anbieten, beschäftigen zudem gerontopsychiatrisch geschultes Personal. Das ist aber ein Zusatzangebot.
Bieten alle Heime ihren Bewohnern gleich viel Selbständigkeit?
Grundsätzlich ja. Jedes Heim ist verpflichtet, einen Heimbeirat wählen zu lassen, der die Bewohnerinteressen vertritt. Außerdem sind die Heime verpflichtet, „aktivierende Pflege“ zu betreiben, das heißt: alles dafür zu tun, dass die Fähigkeiten der Bewohner erhalten bleiben.
Wie gut funktioniert das?
Leider sind die Abläufe manchmal so stringent durchgeplant, dass für individuelle Bedürfnisse zu wenig Zeit bleibt. Nicht überall kann man zum Beispiel selbst entscheiden, wann man gepflegt werden will und wann man essen möchte.
Wie individuell ist das Freizeitangebot der Heime?
Etliche versuchen, von den Gruppenangeboten wegzukommen und individuell zu betreuen. Angesichts der Personaldecke ist das aber oft schwierig. Denn für 50 Bewohner ist – so der Richtwert – ein Betreuer zuständig. Verpflichtend ist auch das nicht. Das Gesetz schreibt nur vor, dass dieser Aufgabenbereich erfüllt sein muss. Es kann also auch sein, dass Pflegekräfte diese Aufgaben mit übernehmen.
Hängt die Qualität all dessen mit dem Preis zusammen?
Nicht unbedingt. Die günstigen Heime bieten nicht zwangsläufig den schlechtesten Service.
Kann ich aber als Sozialhilfeempfänger frei entscheiden, in welches Heim ich möchte?
Auch der Sozialhilfeempfänger kann den Heimplatz frei wählen. Es ist dann vielleicht nicht sehr klug, sich das teuerste Heim am Ort auszusuchen. Wenn man aber in der mittleren Preiskategorie bleibt, ist das in Ordnung.
Woran erkenne ich überhaupt, ob ein Heim für mich geeignet ist?
Am besten ist es, dem Heim zwei Besuche abzustatten: den angemeldeten und einen unangemeldeten. Beim offiziellen Besuch – der ja meist schon einem konkreten Zimmer gilt – ist es wichtig, nicht nur mit der Heimleitung über Preis, Fachpersonal und individuelle Bedürfnisse zu sprechen, sondern auch mit der Pflegedienst- bzw. Wohnbereichsleitung. Nur so kann ich feststellen, ob mir die Atmosphäre dort zusagt.
Wonach muss ich die Heimleitung in jedem Fall fragen?
Zunächst natürlich nach den Kosten. Dann danach, ob es Fachpersonal für die Erkrankung gibt, die der künftige Heimbewohner hat. Auch sollte ich mir das anvisierte Zimmer ansehen und nach den Versorgungszeiten fragen: Kann der Bewohner aussuchen, wann er morgens gepflegt wird, kann er entscheiden, wann er welche Mahlzeiten einnehmen will, kann das Heim flexibel auf individuelle Wünsche eingehen? Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass ich mir überlegt habe, wie ich mir das Leben in dieser Einrichtung vorstelle: Was ist für mich wichtig, damit ich mich wohl fühle? Wenn ich das weiß, kann ich schauen, welches Heim den Großteil meiner Bedürfnisse abdeckt und welches nicht.
Und beim inoffiziellen Besuch?
Da sollte ich mit dem Heimbeirat, mit Bewohnern und deren Angehörigen sprechen und fragen, wie zufrieden sie dort sind.
Wie löse ich das Wartezeitproblem?
Das existiert kaum noch. Viele Einrichtungen haben Leerstände und können kurzfristig Plätze anbieten. Es gibt natürlich sehr beliebte Heime, die Wartelisten haben. Das muss aber kein Problem sein: Sollte ich nicht sofort in meinem Lieblingsheim unterkommen, kann ich auch einen befristeten Platz in einem anderen Heim mieten und später umziehen. Ich muss nur auf die Kündigungsfristen achten.
Fotohinweis:MARITA KOCH, 30, Pädagogin, ist bei der hannoverschen Pflegeberatung tätig. Das Modellprojekt läuft bis 2010. FOTO: PRIVAT