Kongokrieg wird Thema des Strafgerichtshofs

Debatte um Aufarbeitung der Kriegsverbrechen des Kongo beginnt: Regierung Kabila klagt gegen Rebellenchef Bemba

BERLIN taz ■ Die Klagen vor dem Internationalen Strafgerichtshof aus Afrika weiten sich aus. Die Regierung von Präsident Joseph Kabila in der Demokratischen Republik Kongo kündigte am Montag an, sich einer Klage gegen den kongolesischen Rebellenführer Jean-Pierre Bemba anzuschließen, die die Internationale Liga für Menschenrechte (FIDH) am vergangenen Donnerstag eingereicht hatte (siehe taz von gestern). Es gehe um „schreckliche Verbrechen“ der von Bemba geführten Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) in der nordostkongolesischen Region Ituri, sagte Justizminister Ngele Masudi am Montag in der Hauptstadt Kinshasa. Bei der FIDH-Klage geht es um Verbrechen von MLC-Truppen in der Zentralafrikanischen Republik, wo sie auf Seiten des ebenfalls verklagten Staatschefs Ange-Felix Patassé kämpfen. Der Gerichtshof konstituiert sich im März in Den Haag und entscheidet dann über die Annahme der Klagen.

Kongos Justizminister Masudi äußerte sich anlässlich der Veröffentlichung eines „Weißbuchs“ über Kannibalismus in Ituri. Vertreter der Pygmäen der Region haben in den letzten Monaten detailliert über Kriegsverbrechen der MLC und anderer Rebellenarmeen der Region während einer Großoffensive im vergangenen Herbst berichtet. Eine UN-Untersuchung hat die Vorwürfe bestätigt. Die Regierung Kabila nimmt dies zum Anlass einer politischen Kampagne gegen die MLC und ihren Chef Bemba. Laut dem Kongo-Friedensvertrag vom Dezember 2002 ist er als einer von vier Vizepräsidenten der noch zu bildenden Regierung der Nationalen Einheit vorgesehen; dies lehnen Hardliner um Kabila inzwischen ab.

Die Greueltaten in Ituri vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen könnte allerdings am Ende auch für die Regierung Kabila problematisch sein. Zahlreiche Kriegsverbrechen bei den Kämpfen zwischen Oktober und Dezember 2002 wurden von Verbündeten Kabilas begangen, dessen Truppen zur Unterstützung der mit der MLC verfeindeten RCD-ML (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Befreiungsbewegung) in der Region stehen. Eine neutrale Untersuchung dieser Vorgänge würde vermutlich alle Seiten schwer belasten.

Hinzu kommen Forderungen seitens der kongolesischen Rebellen und Menschenrechtsgruppen nach einem UN-Sondertribunal für den Kongo, analog zu denen zu Exjugslawien und Ruanda. Das Tribunal sollte alle Kriegsverbrechen seit dem ersten Kongokrieg von 1996–97, als der Diktator Mobutu Sese Seko gestürzt wurde, untersuchen – der Internationale Strafgerichtshof kann nur Vorgänge nach dem Inkrafttreten seines Statuts im April 2002 behandeln. Die meisten der auf über 2,5 Millionen geschätzten Opfer des Kongokrieges waren da schon tot. DOMINIC JOHNSON