Die Angst vor dem Bau-Inder

Bei den Verhandlungen um das WTO-Dienstleistungsabkommen Gats hoffen Entwicklungsländer auf ihren einzigen Wettbewerbsvorteil: billige Arbeitskraft. Hiesige Gewerkschaften fürchten jedoch Lohndumping und noch mehr Arbeitslose

aus Berlin KATHARINA KOUFEN

Was heißt DDR? Das Kürzel steht neuerdings für „Doha Development Round“. Gemeint ist die aktuelle Welthandelsrunde, in der sich die WTO-Mitgliedsstaaten um mehr Liberalisierung im Handel bemühen. „Doha“ heißt sie, weil sie im November 2001 dort, in der Hauptstadt des Wüstenstaats Katar, eingeläutet wurde. „Development“ kommt daher, dass die Runde eine Entwicklungsrunde werden soll, wie sämtliche Teilnehmer immer wieder betonen.

So weit die guten Vorsätze. Die gelte es, „mit Leben zu erfüllen“, wie Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul am Montag auf einer Tagung ihres Hauses zum Thema Welthandel forderte. Doch das gestaltet sich schwierig.

Das wichtigste Thema der WTO-Runde ist das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, das Gats. Alle 145 Mitgliedsstaaten überlegen derzeit, welche Dienstleistungen sie privatisieren wollen – und welche Dienstleistungen in anderen Ländern gerne von heimischen Firmen übernommen würden. Dazu gehören Telekommunikation, Gesundheit, Müllentsorgung, Energie, Versicherungen und – noch umstritten – Wasserversorgung. Bis zum 30. März müssen die Angebote feststehen.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass in fast allen Bereichen die Industrieländer die Käufer sind und die Entwicklungsländer die Verkäufer. Denn Dienstleistungskonzerne wie Vivendi, Versicherungen wie die Allianz oder Telekomriesen wie die France Télécom haben ihre Stammsitze nun mal in den USA oder in Europa. Die meisten Entwicklungsländer mit ihren maroden Strom- und Telefonnetzen sind schlicht nicht wettbewerbsfähig.

Mit einer Ausnahme: Arbeitskräfte kosten in Indien, Mexiko oder den Philippinen erheblich weniger als in den reichen Teilen der Welt. Viele Entwicklungsländer hoffen deshalb, über das Gats eine Brücke zu den Arbeitsmärkten Europas und der USA zu schlagen. Ihr Kalkül: Das Abkommen sieht unterschiedliche Modi für den Handel mit Dienstleistungen vor. „Modus eins“ etwa gestattet grenzüberschreitende Dienstleistungen. Dazu gehören die Asiaten, die schon heute für europäische Firmen Kreditkarten abrechnen oder Computerseiten gestalten.

„Modus vier“ erlaubt die „Erbringung von Dienstleistungen durch zeitweilig im Ausland tätige natürliche Personen“ – sprich: Gastarbeiter. „Wir denken da an professionelle IT-Leute“, erklärt WTO-Expertin Lakshmi Puri vom UN-Entwicklungsprogramm Unctad. „Und an wenig Qualifizierte, die etwa in Krankenhäusern oder im Bausektor arbeiten könnten.“ Die EU will für solche „Werkvertragsnehmer“ Visa von bis zu sechs Monaten ausstellen.

Das Wort „Bausektor“ lässt bei den hiesigen Gewerkschaften die Alarmglocken schrillen. „Mit Sozialdumping haben wir heute schon große Probleme“, so Annelie Buntenbach, Sozialexpertin bei der IG BAU. Auch Ortrun Gauper von Ver.di hat „Bauchweh“ bei der Vorstellung von weltweiter Konkurrenz in Branchen, denen es ohnehin schon schlecht geht. „Bis jetzt gelten soziale Sicherung und Mindestlöhne des Gastlands.“ Die EU wolle diese Regeln im Gats-Vertrag jedoch aufweichen. „Wir wollen, dass da klar steht: Die EU-Richtlinien gelten auch für außereuropäische Arbeitnehmer.“

Im für WTO-Fragen zuständigen Wirtschaftsministerium beruhigt Referatsleiter Arno Schwed: Nach Deutschland werde allenfalls „Spitzenpersonal“ kommen. „Wir sind uns der Sensiblität des Themas bewusst. Einen Zustrom von Hilfsarbeitern wird es nicht geben.“

Die Entwicklungsländer bringen solche „Handelshemmnisse“ in Rage: Ihr Wettbewerbsvorteil wäre damit wieder dahin.