EU: Mund halten, beitreten

Trotz scharfer Kritik von Jacques Chirac schließen sich Beitrittskandidaten der Erklärung der EU zur Irakkrise an. Französischer Staatspräsident hatte die Länder zuvor zum Schweigen ermahnt

BRÜSSEL afp/taz ■ Staatsmännisch gelassen haben die EU-Anwärter aus Mittel- und Osteuropa gestern in Brüssel auf die Kritik des französischen Staatspräsidenten Chirac reagiert, sie seien zu unreif für einen EU-Beitritt. Nach dem Treffen betonten die Gäste, der Termin sei weit mehr als eine Formsache gewesen. Sie hätten sich aus freien Stücken der Montagabend verfassten gemeinsamen Erklärung der 15 derzeitigen EU-Mitglieder angeschlossen. Besser wäre allerdings gewesen, das Papier von vornherein gemeinsam im Kreis der 25 europäischen Länder abzufassen.

Nach der Einigung bei dem EU-Sondergipfel zum Irakkonflikt hatte Chirac die EU-Beitrittskandidaten wegen ihrer USA-Solidaritätserklärung scharf angegriffen und ihnen vorgeworfen, eine gute Gelegenheit zum Schweigen verpasst zu haben. In der Erklärung wird die führende Rolle des UN-Sicherheitsrats in der Irakkrise herausgestellt und den Waffeninspektoren ausreichend Zeit eingeräumt. Allerdings betont das Papier auch die enge Zusammenarbeit mit den USA und schließt Gewalt als letztes Mittel nicht aus.

Für sein Land sei dieser Teil der Erklärung von besonderer Bedeutung, stellte der polnische Außenminister Włodzimierz Cimoszewicz klar. Er sehe keinen Widerspruch darin, ein Alliierter der Vereinigten Staaten und gleichzeitig ein Europäer zu sein. Die neue EU der 25 Mitglieder werde ein viel komplexeres Gebilde sein als bisher, betonte der ungarische Premierminister Péter Medgyessy. Darauf müssten sich alle einstellen. Von dem Inhalt des Briefes, den Ungarn mit Polen, Tschechien und fünf EU-Ländern ohne Wissen der griechischen Ratspräsidentschaft verfasst hatte, rückte Medgyessy nicht ab. Er deutete aber an, dass es besser gewesen wäre, die Ratspräsidentschaft im Vorfeld über das Schreiben zu informieren.

Nach der Einigung von Brüssel hat die rot-grüne Koalition den Vorwurf eines Kurswechsels in der Irakpolitik zurückgewiesen. Die deutsche Position habe sich in „keiner Weise verändert“, und das werde auch künftig nicht der Fall sein, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestern in Berlin. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sagte, die Haltung der Bundesregierung finde sich in der Brüsseler Erklärung wieder, „ohne dass wir sie ändern mussten“. Dagegen erklärte CDU-Chefin Angela Merkel, Schröder sei gezwungen worden, einen Kurswechsel zu vollziehen. Schröder sagte, die Bundesregierung werde weiterhin alles tun, um die Entwaffnung Iraks mit friedlichen Mitteln durchzusetzen. Der Kanzler schränkte jedoch ein, bei den „unterschiedlichen Philosophien“ in Europa hätte die „deutsche Position in Reinkultur“ nicht durchgesetzt werden können. Er forderte die Opposition auf, die Friedenspolitik der Bundesregierung zu unterstützen.

DANIELA WEINGÄRTNER

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