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Archiv-Artikel

Sarkozy will Staat an Industrie beteiligen

Der EU-Ratsvorsitzende fordert Staatsfonds und eine EU-Wirtschaftsregierung. Während Frankreich kurzfristig 10 Milliarden Euro in sechs Banken pumpt, erlaubt die EU-Kommission die Rettungsaktion für die deutsche IKB-Bank nur unter Auflagen

PARIS/STRASSBURG taz/dpa ■ EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy hat vor dem Hintergrund der Finanzkrise eine Beteiligung des Staates an Schlüsselindustrien vorgeschlagen. Die EU-Mitgliedsländer könnten staatliche Investitionsfonds gründen, die Aktien von Unternehmen kauften, deren Kurse in den Keller gesunken seien, sagte der französische Staatspräsident am Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg. Damit sollten die europäischen Industrien geschützt werden.

Verhindert werden müsse, dass Drittländer Unternehmen aufkauften. Sarkozy betonte: „Ich möchte nicht, dass die europäischen Bürger in einigen Monaten aufwachen und entdecken, dass die europäischen Gesellschaften nichteuropäischen Hauptstädten gehören.“ Später könnten die Fonds ihre Anteile mit Gewinn wieder verkaufen.

Angesichts der Hilfe der USA von 25 Milliarden Dollar für drei Autohersteller könnten auch die EU-Länder von Fall zu Fall ihre Autoindustrie stützen, um schwere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sagte Sarkozy. „Wir müssen weiter bei uns Autos, Schiffe und Flugzeuge bauen.“ Als Heilmittel erneuerte Sarkozy seinen früheren Vorschlag einer klar identifizierbaren Wirtschaftsregierung für die Euro-Zone, die eng mit der Europäischen Zentralbank zusammenarbeiten solle.

Ebenfalls am Dienstag kündigte Frankreich an, mit einer Geldspritze von 10,5 Milliarden Euro seine sechs größten Banken für den Wettbewerb zu rüsten. Kaum war bekannt, dass der Geldsegen aus dem Staatshaushalt bis zum Jahresende kommt – und eventuell im nächsten Jahr in gleicher Höhe wiederholt wird –, schnellten die Aktienkurse der begünstigten Banken in die Höhe. Anders als in England oder den USA gehe es nicht um eine Teilverstaatlichung, sagte Finanzministerin Christine Lagarde. Stattdessen erwirbt der Staat lediglich verzinste Obligationen. Als Gegenleistung erwarte die Regierung eine „wirtschaftliche und ethische“ Gestaltung von Managergehältern und der Vergabe von Krediten an Privathaushalte und Unternehmen, sagte Lagarde.

Wenige Stunden nach der Ankündigung der Finanzministerin sprang der Aktienkurs der Société Générale, die 1,7 Milliarden Kredite bekommen soll, um 9,6 Prozent in die Höhe. Der Aktienkurs der BNP Paribas, die 2,55 Milliarden Euros aus der Staatskasse bekommt, stieg um 6 Prozent an. Beim Crédit Agricole, der 3 Milliarden Euro bekommt, betrug der Aktienkursanstieg 7,9 Prozent.

Unterdessen hat die EU-Kommission die milliardenschwere Rettungsaktion für die angeschlagene deutsche Mittelstandsbank IKB gebilligt – aber nur unter Auflagen. Damit der freie Wettbewerb in Europa nicht verzerrt wird, müsse die Bank ihre „Geschäftstätigkeit zurückfahren“. Das entschied die EU-Kommission am Dienstag in Straßburg nach einer achtmonatigen Beihilfenuntersuchung.

Die IKB war das erste Institut in Deutschland, das 2007 von der damals beginnenden Krise am US-Immobilienmarkt getroffen wurde. Die staatliche Förderbank KfW, Bund und Bankenwirtschaft griffen ein, um einen Zusammenbruch zu verhindern. Die EU-Kommission äußerte sich nicht im Detail dazu, wie die Geschäftsbereiche der IKB verkleinert werden sollen. Nach früheren Medienberichten sollen das Auslands- und das Leasinggeschäft betroffen sein. Die Hilfsmaßnahmen zugunsten der IKB und die Absicherung von Risiken haben laut Kommission einen Gesamtumfang von 9 Milliarden Euro. Die KfW war seinerzeit noch größter IKB-Aktionär. Inzwischen hat der Finanzinvestor Lone Star das Düsseldorfer Kreditinstitut übernommen.

DOROTHEA HAHN