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Archiv-Artikel

Hagen total niedergeschlagen

Nach dem Aus für Basketball-Traditionsklub Brandt Hagen leistet eine ganze Stadt Trauerarbeit. Die Die-Hard-Fraktion des Pleitevereins arbeitet derweil schon am Neu-Start im Amateurbereich

„Hier werden 40 Jahre Bundesliga-Basketball zu Grabe getragen und vom Präsidium lässt sich niemand blicken.“

VON KAJO FRITZ JUN.

Die Hagener Basketball-Tradition wird nicht fortgeschrieben. Bis zuletzt noch hatte eine ganze Stadt auf ein spätes Wunder gehofft. Nichts weniger als das nämlich benötigten die Westfalen, die an ihren eigenen Träumen scheiterten. Zwei Wochen nach der Insolvenz meldete sich Basketball-Erstligist Brandt Hagen vom Spielbetrieb ab. Nach 37 Jahren, zwei Monaten und 20 Tagen unter den Körben.

Wut, Enttäuschung, Trauer, gar Hass – im Taumel der Gefühle waren die Schuldigen schnell ausgemacht. „Einen Neujahrswunsch habe ich“, bellte ein Basketball-Fan zu später Stunde, „das Präsidium soll abtreten.“ In einem Lokal in Bahnhofsnähe trafen sich Mannschaft, Trainer und Fans zum letzten Mal. Die Vereinsoberen um den streitbaren Präsidenten Ludwig Heimann waren nicht da. „Hier werden 40 Jahre Bundesliga-Basketball zu Grabe getragen und vom Präsidium lässt sich niemand blicken“, war Amateurchef Jörg Trapp fassungslos, dessen Abteilung mit in die Insolvenz rutschte. Andere waren traurig, die meisten wütend, einige betrunken. Die westfälische Art eben, einem lieben Freund „Adieu“ zu sagen. „Das ist erschütternd traurig“, sagte der sonst so spröde Brandt-Center Bernd Kruel, gebürtiger Hagener.

420.000 Euro war die Etat-Lücke groß, an der nicht nur der deutsche Meister von 1974, sondern die komplette Stadt scheiterte. Zuletzt spendete die Bevölkerung 200.000 Euro binnen vier Tagen. Doch die Novembergehälter der Spieler waren bis zuletzt nicht überwiesen. Immer neue Finanzlöcher taten sich auf und so zog Insolvenzverwalter Doktor Dirk Andres am Montag die Notbremse: „So kann man vielleicht wieder einen Verein aufbauen, der funktioniert. Mit Perspektive.“

Erst wird aber kräftig nachgetreten. So quotierte der nun arbeitslose Trainer Armin Andres, „dass Hagen nie eine Lizenz hätte bekommen dürfen. Da war höchsten ein Zehntel des Etats gedeckt.“ Liga-Boss Otto Reintjes keifte via Sport-Informationsdienst beleidigt: „Ich mische mich auch nicht in seine Trainertätigkeit ein, auch wenn es dazu häufig Anlass gab. Es ist pervers, wenn ein Trainer solche Vorwürfe macht.“ Und überhaupt ist jeder Bundesligist sauer - wegen fehlender Einnahmen aus den Hagen-Spielen. Und einige ambitionierte Zweitligisten, denen die Lizenz verwehrt wurde. Es rumort in Basketball-Deutschland.

Doch auch in Hagen hat die Pleite Folgen. Denn der Klub sollte die Lok sein, um die 200.000-Seelen-Provinz am Rande des Ruhrgebiets ins Urbane zu bugsieren. Ein Konzept für eine 12 Millionen Euro teure Multifunktions-Halle stand, zuletzt sicherte das Land eine Bürgschaft zu. Der Verein als Bauträger wollte das Projekt – die Stadt ist zu klamm – eigenmächtig stemmen. Aus, vorbei. Das Tragische: Die Gelder für die 5.000-Zuschauer-Spielstätte lagen annähernd bereit.

Verlierer sind die Fans, die auf der Klub-Homepage seit Tagen Beileidsbekundungen aus der Republik bekommen. Zum kuriosen letzten Spiel begleiteten achthundert Treue das Team die 64 Kilometer bei stürmendem Wetter über die A1 nach Leverkusen. „Das hätten wir noch zehnmal gemacht“, erklärte ein Fan mit Tränen in den Augen am Abschiedsabend. Romantisch gar wird nun schon von den Zeiten erzählt, als noch in der unkomfortablen, miefigen, winzigen Ischelandhalle gespielt wurde. Das sagenumwobene Basketball-Kleinod erfüllt nicht mehr die Ligastatuten, Hagen musste ins sportliche Exil nach Dortmund. Diesen Bruch mit der Tradition hat der Verein nicht verkraftet. Gravierende Fehler im Management und lokalpolitische Scharmützel taten ihr Übriges. Jetzt wird ein Neuanfang in der zweiten Liga versucht. Entschuldet, mit neuen Gesichtern. Als Hagener Premium-Produkt fürs Herz, das nicht mehr an die Nieren gehen soll.

Schon der Namensgeber des Vereins verschwand unlängst aus Hagen. Die Zwieback-Fabrik Brandt verliess im vergangenen Jahr ihren Stammsitz im östlichen Ruhrgebiet – seit 1912 war die doppelt gebackene Spezialität in Westfalen produziert worden. Bald könnte Brandt Hagen in jeder Hinsicht Geschichte sein – wirtschaftlich und sportlich.