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Archiv-Artikel

Datensalat bei der Polizei

Das neue Computersystem der Polizei lässt weiter auf sich warten. Zum Glück. Denn weder sind alle Probleme beseitigt noch alle Beamten geschult. Intern wird bereits an einer neuen Version gearbeitet

VON OTTO DIEDERICHS

Um die Amtsstuben der Berliner Polizisten hat der Weihnachtsmann einen großen Bogen gemacht. Eigentlich wollte sich die Polizei in diesem Jahr nämlich ein völlig neues Computersystem schenken, um das bisherige, völlig überalterte „Informationssystem Verbrechensbekämpfung“ (ISVB) abzulösen.

Dafür wird bereits seit Anfang 2000 am Aufbau von Poliks (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung) gearbeitet. Das neue System ist schon deshalb nötig, weil eine Anbindung des ISVB an das bundeseinheitliche Fahndungssystem Inpol-neu (Informationssystem Polizei) des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden und das Schengen-Informationssystem SIS nur noch zeitlich begrenzt möglich ist. Ende 2003 sollten die Arbeiten an dem rund 70 Millionen Euro teuren Poliks-Projekt abgeschlossen sein und das System den Beamten dann im neuen Jahr zur Verfügung stehen.

Daraus wird nun nichts. Inzwischen ist der Start auf Ende 2004 verschoben. Dann allerdings wird es auch allerhöchste Zeit, denn zunehmend gerät das Mitte der 70er-Jahre installierte ISVB an die Grenze seines Leistungsvermögens und muss spätestens 2005 vom Netz. Nicht selten falle das System schon heute „stundenweise“ aus, klagen Kriminalbeamte seit langem. Die Straftatenaufklärung werde so zum Teil erheblich behindert.

Auch Ulrich Bechem, Leiter der Abteilung Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) im Polizeipräsidium, leugnet nicht, dass es gerade „in Spitzenzeiten zu einer Überbelastung“ kommen könne. Er sagt es zwar nicht, doch zwischen den Zeilen macht er das Bundeskriminalamt für die Verschiebung der Poliks-Einführung verantwortlich. Nach zwei katastrophalen Fehlstarts musste das neue Computerfahndungssystem der Wiesbadener, ebenfalls über dreißig Jahre alt, schließlich völlig neu konzipiert werden, bevor die erste Stufe von Inpol-neu mit über zweijähriger Verspätung Mitte 2003 in Betrieb genommen werden konnte.

Auf eine solche Situation jedoch waren die Poliks-Planer nicht vorbereitet. Die komplette Veränderung der technischen Aktualisierung der polizeilichen Datenverarbeitung, sagt der IuK-Chef der Berliner Polizei, sei ein „entscheidender Einschnitt in das Poliks-System“. Also muss nachgearbeitet werden. Weitere rund 4,5 Millionen Euro kostet es, Poliks wieder Inpol-kompatibel zu machen. Das notwendige Geld muss der Polizeipräsident aus seinem Haushalt erwirtschaften. Aus der letzten Sparklausur des Senats Mitte Dezember sei man hier aber „ungeschoren“ herausgekommen, heißt es, insgesamt sei das Projekt „durchfinanziert“. Im Sommer sollen die Anpassungen fertig sein.

Anschließend soll Poliks erst einmal mindestens drei Monate lang getestet werden, bevor die ISVB-Daten tatsächlich überspielt werden sollen. Dann nämlich befinde man sich „in einer Big-Bang-Situation“, denn bereits einen Tag nach der Umstellung sei ein „Zurückschalten“ auf das alte System nicht mehr möglich. Käme eine Panne also einer elektronischen Generalamnestie für Berlins Straftäter nahe? Bechems Vorsicht ist jedenfalls verständlich.

Wenn aber alles gut geht, soll Poliks nun also Ende 2004 mit etwa 5.000 bis 6.000 neuen PC-Arbeitsplätzen an den Start gehen. Ein planmäßiger Poliks-Start im Januar sei wohl kaum möglich gewesen, heißt es aus Kreisen der Ermittler, weil die notwendigen Installations- und Baumaßnahmen vielfach noch nicht abgeschlossen seien.

Und auch sonst gibt es bei dem ehrgeizigen Projekt diverse Merkwürdigkeiten, die in offiziellen Darstellungen nicht vorkommen. So soll Poliks nicht mit dem Computersystem der Staatsanwaltschaft kompatibel sein. Also werden auch künftig Aktenberge hin und her geschoben. Zudem seien auch ohne die notwendig gewordenen Inpol-Nachbesserungen knapp 150 Programmierungsfehler bei Poliks ausgemacht worden, ist aus Führungsgremien der Polizei zu hören. Lediglich rund 50 davon sollen bisher beseitigt worden sein. Das hätte dann wohl einen schönen Start gegeben.

Trotz solcher Mängel und ungeachtet der zwölfmonatigen Verschiebung für die Poliks-Einführung werden etwa 15.000 Berliner Polizisten und Polizistinnen dennoch munter weiter auf das neue System umgeschult. Dummerweise jedoch nicht einmal auf dem aktuellen Stand. Während im Polizeipräsidium nämlich schon über notwendige Änderungen an der Version 2.1 nachgedacht wird, schlagen sich die Ordnungshüter noch mit der Version 1.5 herum.

Vielleicht ist es also ganz gut, dass der Weihnachtsmann erst in diesem Jahr mit seiner neuen EDV in die Polizeireviere kommt. Wenn er denn kommt.