: Senioren im Ruhr-Florida
Das Ruhrgebiet soll zum Testmarkt für SeniorInnenwirtschaft werden: hier altert die Bevölkerung besonders schnell, hier sind die älteren Menschen aber auch besonders arm
RUHR taz ■ Die Wirtschaft im Ruhrgebiet muss schneller altern: Nach einem aktuellen Bericht des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums zur „Seniorenwirtschaft in NRW“ muss sich das Revier rund fünf Jahre früher auf die Bedürfnisse von alten Menschen einstellen als andere Landesteile. „Das Ruhrgebiet spielt eine Vorreiterolle“, sagt Sozialministerin Birgit Fischer (SPD).
Bereits heute liegt der Anteil der über 60-Jährigen im Ruhrgebiet mit 1,2 Millionen Menschen rund zwei Prozent über dem Landesdurchschnitt. Allen amtlichen Prognosen zufolge wird das Ruhrgebiet den Altersvorsprung bis 2015 halten.
Bevor die Senioren und Seniorinnen ihr Erspartes in den Süden tragen, soll die Wirtschaft an Rhein und Ruhr Gegenangebote machen, fordert Josef Hilbert vom Gelsenkirchener Institut Arbeit und Technik. „Wir brauchen einen Klimawechsel.“ Das Wohnen im Alter müsste attraktiver werden, die einzelnen Angebote der Seniorenwirtschaft müssten vernetzt und vermarktet werden. Ältere Menschen dürften nicht mehr nur als Kostgänger gesehen werden, sondern als kaufkräftige Konsumenten.
Ob die SeniorInnen des Reviers tatsächlich zum Wirtschaftsmotor werden könnten, ist fraglich: Von allen Regionen Nordrhein-Westfalens verfügen die SeniorenInnen-Haushalte im Durchschnitt über das geringste Einkommen. Nur dank der niedrigeren Lebenshaltungskosten haben sie durchschnittlich viel Geld zur freien Verfügung, ergab eine Studie der Landesinitiative Seniorenwirtschaft.
Trotzdem gibt es schon ein paar Unternehmen, die sich von den klammen Geldbeuteln der Alten nicht abschrecken lassen: Ein dutzend Dortmunder Handwerksunternehmen kooperiert mit der Caritas unter dem Motto „Ein Team für alle Fälle“. Unter einer gemeinsamen Telefonnummer können nun mehrere HandwerkerInnen gerufen werden, die auch Glühbirnen wechseln oder Gardinen zum Waschen abnehmen. Der Service kostet sieben Euro. Im vergangenen Jahr haben über 200 Menschen das Angebot genutzt.
In Duisburg testet das „Inhaus-Innovationszentrum Intelligentes Haus“ wie Computer das Leben in den eigenen vier Wänden erleichtern können. Türen, die sich auf Zuruf öffnen, Kühlschränke, die fehlende Ware selbst nachbestellen, oder intelligente Herde und Küchenmaschinen, die sich bei vergesslichen NutzerInnen selbst abschalten. Noch in diesem Jahr sollen 1.000 Haushalte im Rhein-Ruhr-Gebiet die „Smart-Häuser“ testen.
Als erste Stadt im Ruhrgebiet will Herten unter dem Titel „vital 50 plus“ die Lebensqualität von SeniorInnen erhöhen. Bisher sind allerdings nur ein paar Workshops zu Themen wie „Ältere Arbeitnehmer im Betrieb“ geplant.
270 Quadratmeter in der Essener Fußgängerzone sollen SeniorInnen den Übergang von der Arbeit in die Rente erleichtern. Im „Aktiv-Zentrum“ hilft Pädagoge Hermann-Josef Heck, sich neu zu orientieren. JOE