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Archiv-Artikel

Präsidialkandidatur leitet Superwahljahr ein

Österreichs Sozialdemokraten wollen mit Partei-Vize Heinz Fischer bei den Wahlen um das höchste Staatsamt antreten

Für Fischer spricht die Gewohnheit, politische Gleichgewichte zu schaffen

WIEN taz ■ Mit der Nominierung von Heinz Fischer zum Kandidaten der SPÖ für die Bundespräsidentschaftswahlen wurde in Österreich das Wahljahr 2004 eröffnet. Fischer, 65, Vize-Parteivorsitzender und Zweiter Nationalratspräsident, wurde am Samstag in Weißensee, Kärnten, vom erweiterten SPÖ-Parteivorstand einstimmig gekürt. Keine Überraschung, denn allfällige Alternativen zum lang gedienten Parlamentarier hatten längst abgesagt oder wurden vor Monaten schon verworfen. Der Nachfolger von Bundespräsident Thomas Klestil wird am 25. April in direkter Wahl vom Volk bestimmt.

Die ÖVP hält ihre Entscheidung bis Mitte Januar geheim. Es gilt aber als sicher, dass sie Außenministerin Benita Ferrero-Waldner nominiert, die Wunschkandidatin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. FPÖ und Grüne werden im Laufe des Monats entscheiden, ob sie eigene Kandidaten ins Rennen schicken.

Heinz Fischer hat sich durch seine ausgewogene Amtsführung als Nationalratspräsident auch den Respekt der anderen Parteien erworben. Dennoch hält ihn FPÖ-Generalsekretärin Magda Bleckmann für ungeeignet für das höchste Amt, da er die Ausgrenzungspolitik der SPÖ gegen ihre Partei immer mitgetragen habe. Für ÖVP-Fraktionschef Wilhelm Molterer ist er „ein Mann des Apparats.“

Fischer gilt als überzeugter Linker innerhalb der Sozialdemokratie, der gleichwohl nie öffentlich gegen den eigenen Parteichef Stellung bezogen hat. Er ist kein Mann des schnellen Wortes, vielmehr wird ihm gelegentlich vorgeworfen, durch seine übervorsichtigen Formulierungen zu wenig konkret zu sein. Für die Grüne Eva Glawischnig, die selbst eine Zeit lang mit der Kandidatur kokettierte, ist er eine geeignete Persönlichkeit.

Was noch für Fischer spricht, ist die Gewohnheit der Österreicher, politische Gleichgewichte zu schaffen. Die Konservativen haben in den letzten Jahren fast alle Positionen in Politik und verstaatlichter Wirtschaft besetzt. Dagegen hilft auch das Argument wenig, es sei höchste Zeit für eine Frau an der Spitze des Staates. Zudem gilt die Außenministerin als anfällig für Fettnäpfchen. Zuletzt fuhr sie in der Frage von Beistandspflicht und Neutralität einen Schlingerkurs, der ihr in der öffentlichen Meinung geschadet hat.

Dem zu erwartenden Duell Fischer–Ferrero haben die kleineren Parteien wenig entgegenzusetzen. Sie werden voraussichtlich ihre Mittel für die anderen Auseinandersetzungen sparen. Denn neben den Wahlen für das EU-Parlament stehen 2004 noch drei Landtagswahlen bevor, die politisch viel brisanter sind als die Entscheidung um die Hofburg. Salzburg und Kärnten wählen bereits am 7. März, Vorarlberg im September.

Vor allem vom Ergebnis des Votums in Kärnten kann man auch bundespolitische Auswirkungen erwarten. Denn wenn Jörg Haider nicht Landeshauptmann bleibt, wird er sich eine neue Aufgabe in Wien suchen. Ein beunruhigender Gedanke für den Bundeskanzler, der mit seinem launenhaften Koalitionspartner viel mitgemacht hat.

Die Umfragen der letzten Monate bestätigen, dass die SPÖ in Kärnten wieder zur stärksten Kraft geworden ist. Keine Partei hat aber Aussichten, durch eine eigene absolute Mehrheit die Regierung zu bilden. 1999 verhalf die ÖVP Haider zu seinem Posten. Nachdem Haider im Dezember in einem Interview keinen moralischen Unterschied zwischen Saddam Hussein und US-Präsident Bush entdecken konnte, kündigte ÖVP-Landesparteichef Georg Wurmitzer an, seine Partei werde Haider auf keinen Fall wieder zum Landeshauptmann machen.

Aber auch die Wahlen in Salzburg bergen Sprengstoff für die Regierung in Wien. ÖVP-Landeshauptmann Franz Schausberger liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der dynamischen Frontfrau der SPÖ, Gabi Burgstaller. Zwar bilden die beiden Großparteien derzeit eine Koalition auf Landesebene und geloben, diese fortzusetzen, doch wäre für beide die Versuchung groß, mit Hilfe der Grünen den bisherigen Partner auszubooten.

Alles spricht dafür, dass die Freiheitlichen auch in Salzburg abstürzen, während die Grünen zulegen werden. Sozialsprecher Karl Öllinger hat ausgesprochen, was viele denken: nach der Koalition mit der ÖVP in Oberösterreich wäre es taktisch klug, in Salzburg mit Rot-Grün die eigenständige Position der Partei zu signalisieren. Und vielleicht damit einen neuen Bundestrend einzuleiten, der in den Umfragen längst besteht. RALF LEONHARD