: Ver.di deutet PDS ein Angebot an
Ein Gewerkschaftsfunktionär überrascht den Parteitag der Sozialisten mit einem Angebot für die Tarifverhandlungen. Details noch unklar. PDS stützt Regierungskurs und Stefan Liebich. Reformer bewegen sich auf die Bundesvorsitzende Gabi Zimmer zu
von ROBIN ALEXANDER
Die längste Rede hielt jemand, der gar nicht Mitglied der PDS ist. Burkhardt Thiemann, Tarifexperte von Ver.di, sprach in scharfem Ton – allerdings nicht über die PDS, sondern über die SPD, deren Leitantrag für einen kommenden Parteitag ein „Programm zur Entstaatlichung sei“. Sein Vorwurf an die PDSler: Da macht ihr mit. Er kritisierte die rot-rote Koalition ebenso wie das abgewählte schwarz-rote Bündnis und die Vereinbarungen von SPD, Grünen und FDP in der gescheiterten Ampel. Am Schluss seiner in Form und Inhalt von vielen Delegierten als unverschämt empfundenen Rede deutete Thiemann überraschend ein Angebot für die diese Woche weitergehenden Tarifverhandlungen an: Arbeitzeit, Altersversorgung und Weihnachstgeld sollen künftig in Ost und West angeglichen werden. Dafür bietet Ver.di den Verzicht auf monetäre Tariferhöhungen gegen Freizeitausgleich. Die zuständigen PDS-Politiker, froh, auf dem Parteitag um eine offene Konfrontation herumgekommen zu sein, nannten das Angebot „bemerkenswert“. Anträge, die den Senat zur sofortigen Rückkehr in den Flächentarifvertrag aufforderten, wurden abgewiesen.
In zwei zentralen Punkten sprachen die Delegierten ihrer Führung überraschend deutlich das Vertrauen aus. Den Leitantrag, in dem die Verantwortung für die hohen Verluste der PDS in Umfragen der Ämterflucht Gregor Gysis, der verlorenen Bundestagswahl und dem Geraer Bundesparteitag zugeschrieben wird, nahmen über 80 Prozent der 124 Delegierten an. Anträge, die formell eine Trennung von Amt und Mandat forderten und real den Doppelvorsitz von Stefan Liebich in Partei und Fraktion kritisierten, fanden keine Mehrheit. Bei der Abstimmung war Liebich schon auf dem Weg zu einem Fernsehinterview.
„Berlin ist nicht Gera“, frohlockte der Abgeordnete Marian Krüger. Die thüringische Stadt steht für den Bundesparteiag, auf dem die Reformkräfte und der Berliner Landesverband vor wenigen Monaten eine herbe Niederlage einstecken mussten. Aber die Frontstellungen von Gera beginnen sich aufzulösen. Heute wird Gabi Zimmer, die Bundesvorsitzende, der Öffentlichkeit einen Programmentwurf vorstellen, der in den vergangenen Tagen auch führenden Berliner PDSlern vorab zugänglich gemacht wurde. Einer, der in Gera zu den Verlierern gehörte, bemerkte: „Gabi Zimmer beginnt sich aus der Umklammerung von Hiksch und Dehm zu lösen.“ Uwe Hiksch und Dieter Dehm, westdeutsche Exsozialdemokraten im PDS-Bundesvorstand, gelten bei den Berlinern als nicht politikfähig. Man will Zimmer unterstützen bei dem Versuch, „eine neue integrative Mitte in der Partei zu schaffen“.
Dies spielte in der offenen Debatte keine Rolle. Stefan Liebich behauptete: „Die Politik hat sich in Berlin gehörig nach links verschoben.“ Linken Kritikern des rot-roten Senats hielt er entgegen: „Wollen wir den Menschen jetzt helfen oder auf die Revolution warten?“ Wirtschaftssenator Harald Wolf meinte zur Regierungsbeteiligung: „Wir machen das zum ersten Mal. Wir können uns noch steigern.“ Und prophezeite: „2006 sagen die Wähler: Es hat sich gelohnt.“ Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform warnte hingegen: „Bis 2006 werden wir abgewirtschaftet haben bis zum Exzess.“
Zu Beginn des Parteitags warnte Wolfgang Gehrcke, Mitglied des Bundesvorstands: „Von den USA wird Völkermord geplant.“ Gehrcke stellte in seinem „Friedensreferat“ die mutige Behauptung auf: „Es ist unser Verdienst, dass ein Kanzler ‚Nein‘ zum Krieg sagt.“ Der Vorschlag, zu Beginn eines Irakkrieges einen PDS-Sonderparteitag einzuberufen, fand keine Mehrheit.