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Archiv-Artikel

Zum Altenheim gehört eine Kita

Die Bremer Heimstiftung will Vorbilder schaffen für „kinderfreundliche“ Betriebs- und Arbeitsstrukturen. Den Anfang machte jetzt das Stiftungsdorf Hollergrund: „Kinder sind bei uns willkommen“, lautet dort die Maxime

Von kawe

Bremen taz ■ „Zu einer wirtschaftsfreundlichen Stadt gehören auch soziale Faktoren“, sagt Alexander Künzel, Leiter der Bremer Heimstiftung. Mit 1.500 Mitarbeitern und 3.000 betreuten älteren Menschen ist die Heimstiftung die größte Altenpflege-Einrichtung in Bremen. Und die innovativste. Seit dem 25. November 2003 steht die Heimstiftung auf der Liste der bundesweit von der Hertie-Stiftung ausgezeichneten „familienfreundlichen Unternehmen“, neben Firmen wie der Adidas-Salomon AG, dem Bischöflichen Ordinariat Rottenburg oder dem Autohaus Vorchdorf. Was den 156 Unternehmen dieser Liste gemeinsam ist – alle wurden von der gemeinnützigen GmbH „Beruf und Familie“ zertifiziert – ist das Engagement für kinderfreundliche Betriebsstrukturen.

Das fängt an bei konkreten Problemen wie familienbedingten Teilzeit-Strukturen und geht bis zur Offenheit für Patchwork-Berufsbiografien und zu Grundfragen der Unternehmensphilosophie. „Der Geburtenknick ist von der Gesellschaft insgesamt verantwortet“, sagt Heimstiftungs-Chef Künzel, ihm geht es um das Bewusstsein für kinderfeindliche Strukturen der betrieblichen Anforderungen an ihre Arbeitskräfte, ihn ärgert die „Phantasielosigkeit einer Gesellschaft, die dem keine Aufmerksamkeit schenkt.“

Und so will er mit seiner Heimstiftung vorbildliche „Stiftungsdörfer“ für Senioren bauen, die sich allen Problemen berufstätiger junger Mütter stellen. Im Zentrum des Stiftungsdorfs Hollergrund wurde eine Kita gebaut. Wer die Nähe zu lärmenden Kindern nicht mehr erträgt, kann in eine Seniorenwohnung am Rande des „Dorfes“ ziehen. Aber für viele sind die Kinder in der Mitte eine schöne Abwechslung. Und da 45 der 60 MitarbeiterInnen im Hollergrund Frauen sind, ist das Stiftungsdorf mit seinen 50 Pflege-Plätzen und 116 Altenwohnungen mit den Problemen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie konfrontiert wie jeder andere Betrieb. Darf das Kind der Pflegerin im Stiftungsdorf schlafen, wenn Mama Nachtschicht hat? Muss die Frühschicht morgens um sechs Uhr beginnen, wenn die Kita erst um acht Uhr öffnet? Gibt es eine Hausaufgabenbetreuung in der Mittagszeit, wo so viele Senioren eigentlich Zeit hätten und einige sich über kleine Aufgaben freuen würden? Und wie kann eine allein erziehende Frau mit sechs Wochen Urlaubsanspruch ihr Kind in den Wochen der Schulferien angemessen betreuen? Fragen über Fragen.

Meist stellen sich die Probleme als Einzelfragen, sagt die Projektleiterin der Heimstiftung, Melanie Brauner. Sie weiß, wovon sie redet – ihr Kind ist gerade anderthalb. Früher war sie Pflegedienstleiterin in einer anderen Einrichtung der Heimstiftung. Die Einzelprobleme müssen aber so gelöst werden, dass die KollegInnen nicht das Gefühl bekommen, hier würde jemand bevorzugt. Und das ist eine Frage auch des Betriebsklimas. „Kinder sind bei uns willkommen“, das soll die Botschaft sein, die das Unternehmen ausstrahlt, sagt der Leiter der Heimstiftung.

Die Heimstiftung will Vorbild sein für andere. Denn wer weniger gestresste MitarbeiterInnen hat, hat weniger Probleme mit Krankmeldungen, weniger Fluktuation, mehr Motivation und mehr Identifikation. Das müsste auch für Produktionsunternehmen interessant sein. Adidas zum Beispiel bietet Feriencamps für die Kinder der MitarbeiterInnen an.

Eigentlich wäre es eine Aufgabe der Sozialpolitik in der Stadt. Kindergärten und Schulen müssen nicht mittags ihre Türen abschließen. Das kinderfreundliche Denken „ist nicht sehr ausgeprägt in Bremen“, sagt Künzel. Der Mann weiß, wovon er redet: Er war früher selbst einmal Sprecher des Sozialressorts.kawe