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Archiv-Artikel

vorlauf bühne Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Würde Anton Tschechows Drama „Drei Schwestern“ dieser Tage in Washington spielen, Olga, Mascha und Irina würden möglicherweise „nach Bagdad!“ seufzen. Da Michael Thalheimer sich des berühmten Trios jedoch am hiesigen Deutschen Theater angenommen hat, werden sich die drei weiter „nach Moskau!“ und einem aufregenderen Leben sehnen. Thalheimer, Spezialist im Sezieren von Menschen und ihrer ewigen Sehnsucht nach dem falschen Leben im richtigen, mit der sie sich das richtige Leben am Ende so gründlich ruinieren (Premiere Freitag). Aus der Ödnis des Lebens führt der Weg ins Freie gelegentlich über die Kunst. Das jedenfalls hofft das Bürgertum, welches sich schon seit über hundert Jahren die Künstler wie Hofnarren hält. Gelegentlich endet diese Beziehung tödlich, das hat bereits Gerhard Hauptmann in seinem Jugendstildrama „Michael Kramer“ vorgeführt. „Ich war die Hülse, dort liegt der Kern!“, erkennt da Kunstlehrer Kramer an der Bahre seines Künstlersohns Arnold, den der Geschmackstotalitarismus des geistigen Mittelstandes in den Selbstmord trieb. Am Berliner Ensemble wird Thomas Langhoff das Stück mit Peter Fitz und David Bennent in den Hauptrollen inszenieren (Premiere heute Abend). Bildmächtiger Spezialist für die Totentänze des 19. und 20. Jahrhunderts ist der polnische Theatermacher Andrzej Woron. „Sanatorium zur Todesanzeige“ heißt sein neuer Theaterabend, der nach Erzählungen von Bruno Schulz entstanden ist. Schulz, der mit „Zimtläden“ auch die Vorlage eines anderen berühmten Woron-Abends schrieb, verdiente sein Brot als Kunstlehrer eines Gymnasiums im galizischen Drohobycz, bis er als Jude von den Nazis ermordet wurde (Theater am Ufer, Premiere Mittwoch).