Die Reanimation des „U“

Die ehemalige Union-Brauerei in Dortmund wird abgerissen. Brau und Brunnen will an gleicher Stelle ein neues Viertel hochziehen. Wer den denkmalgeschützten U-Turm sanieren wird, ist unklar

„Ein attraktives neues Viertel“ soll um das Wahrzeichen entstehen. Aber wer bezahlt die Sanierung des „U“?

VON KLAUS JANSEN

Das „Dortmunder U“ thront über einer Ruine. Das Wahrzeichen für Dortmunds Tradition als Bierstadt leuchtet vom Dach der ehemaligen Union-Brauerei über Bagger und Haufen von Bauschutt. Umrahmt wird das „U“ von vier Weihnachtsbäumen, behangen mit Lichterketten. Im Dunkeln wirkt die Szenerie wie eine Filmkulisse: Große Leuchtstrahler erhellen das Gelände, Wind pfeift durch die Mauerreste, der Sprühregen wirkt, als sei eine Regenmaschine am Werk.

Die alten Brauerei-Gebäude werden eingerissen. Nur der Turm mit dem „U“ soll als Landmarke und Wahrzeichen bestehen bleiben. Alle anderen Gebäude fallen den Abrissbirnen zum Opfer, die in dieser Woche Tag und Nacht im Einsatz sind. „Wir schaffen Platz für die Zukunft“, steht auf einem Schild am Bauzaun, „Rückbau, Demontage, Verschrottung“ steht darunter.

Im Februar sollen die Mauern soweit zurückgebaut sein, dass die Brau und Brunnen AG (BuB) als Besitzerin des Geländes den entstandenen „Platz für die Zukunft“ nutzen kann. Die Bierfirma, die im Dezember noch fast an einen US-Investor oder den Konkurrenten Radeberger verkauft worden war, möchte dann mit dem Neubau ihrer Konzernzentrale beginnen. Im Mai 2005 sollen die 220 Mitarbeiter aus der Verwaltung in einen siebenstöckigen Klinkerbau einziehen, der in U-Form am Fuße des 60 Meter hohen Turms mit dem Wahrzeichen entstehen soll.

Doch der Investor will mehr als ein Verwaltungsgebäude: „Ein attraktives neues Viertel“ soll unter dem U entstehen, sagt BuB-Sprecherin Birgit Czernotzky. Restaurants und Kneipen unter einem Arkadengang und im Innenhof sollen dafür sorgen, dass auch fleißig konzerneigenes Bier verkauft wird. Dazu soll auch die ehemalige Honoratiorenkneipe „Auerbachs Keller“ wiedereröffnet werden.

BuB setzt darauf, dass auch fremde Firmen das 55.000 Quadratmeter große Gelände nutzen. Der Konzern möchte Grundstücke für Einzelhandel, ein Wellness- und Ärztehaus und Bürogebäude verkaufen. Derzeit werde mit verschiedenen Investoren verhandelt, sagt Birgit Czernotzky. Namen oder einen möglichen Abschlusstermin für die Gespräche kann sie allerdings noch nicht nennen.

An riesige Shopping-Malls ist auf dem Gelände allerdings nicht zu denken - zu groß wäre die Belastung für die Einzelhändler in Dortmunds City. „Ein Einkaufszentrum an einem Standort, der nicht in die Innenstadt integriert ist, ist ein Problem“, sagt Wilm Schulte, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Westfalen-Mitte. Deshalb sollten keine “cityrelevanten Sortimente“ wie Bekleidung angeboten werden. BuB will dem nachkommen und prüft in einem Gutachten die Innenstadtverträglichkeit der Pläne.

Die Stadt Dortmund sieht den City-Einzelhandel durch die Pläne nicht gefährdet. Stadtsprecher Udo Bullerdieck glaubt auch nicht an einen Konflikt zwischen den BuB-Plänen und dem geplanten Neubau des Dortmunder Hauptbahnhofs, wo eventuell in einigen Jahren der prestigeträchtige Mammutkomplex „3do“ Mieter suchen wird. Übermächtige Konkurrenz für das Unionsviertel? Das glaubt BuB-Projektleiterin Claudia Maier nicht: „Wir sind in unseren Planungen davon ausgegangen, dass das „3do“ kommt. Wir werden uns nicht in die Quere kommen.“

Die Dortmunder Politiker von SPD, CDU und Grünen unterstützen die Pläne zur Neugestaltung des Unionsviertels – das finanzielle Risiko trägt schließlich der Investor. Ärger gibt es allerdings bei der Frage, was mit dem denkmalgeschützten U-Turm passieren soll. Brau und Brunnen wird sich finanziell nicht an der Sanierung des Gebäudes beteiligen. „Das können wir nicht schultern“, sagt Projektleiterin Maier. BuB und die Stadt gründen nun eine Objektgesellschaft, die nach einem „unbekannten Dritten“ als Investor fahnden soll - mit noch ungewissem Ausgang.

Die Stadtverwaltung signalisiert Entgegenkommen: Sie erklärt sich bereit, ab 2005 Teile des Gebäudes anzumieten, falls ein Sanierer auftaucht. Der Rat hat dafür 200.000 Euro pro Jahr in Aussicht gestellt. Die angemieteten Räume könnten als Museum oder Archiv genutzt werden. Im Gespräch ist ein teilweiser Umzug des Ostwallmuseums in den Turm. Konkretes gibt es aber auch hier noch nicht. Das ärgert die CDU: Im Haushalt sei kein zusätzliches Geld vorhanden, sagt Manfred Jostes, Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Stadtgestaltung und Verkehr. „Erst muss geklärt werden, wofür genau das Geld ausgegeben wird.“

Es kann also noch dauern, bis der Turm wiederbelebt wird. Sollte bis dahin tatsächlich ein neues Viertel entstanden sein, wird das unsanierte Denkmal verloren wirken. Wenn nicht gerade die Weihnachtsbeleuchtung an ist.