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Archiv-Artikel

Bei den Schwarzarbeitern von White City

Immer mehr Simbabwer kommen illegal ins reiche Nachbarland Botswana. Abschieben? „Sie sind sofort wieder da“

„Sie behandeln uns wie Tiere. Aber in Simbabwe ist es schlimmer“

GABORONE taz ■ Kaum biegt das klapprige Taxi um die Straßenecke in „White City“, laufen junge Männer und Frauen auf den Wagen zu. Sie klopfen an die Scheiben, betteln um Arbeit. Der Taxifahrer kommt aus Simbabwe, und es sind seine Landsleute, also ruft er schnell einige Erklärungen, und schon sitzen Carroll und Patience im Wagen. Sie fassen sich an den Händen und blicken verlegen auf den Boden. Carroll kichert unsicher: „Manchmal finde ich einen Job.“

Die 28-jährige Carroll Mandipa hat bereits zum zweiten Mal die Grenze zwischen ihrer Heimat Simbabwe und Botswana überquert. Ihre beiden Kinder im Alter von fünf und acht Jahren warten im südsimbabwischen Bulawayo, während die Mutter versucht, illegalerweise die Wäsche- und Geschirrberge in botswanischen Haushalten abzuarbeiten, damit sie ihre Familie zu Hause ernähren kann.

Das Taxi parkt jetzt, etwas abseits in dem einfachen Wohnviertel nur wenige Meter vom Zentrum Gaborones. Carroll verliert langsam ihre Schüchternheit. „Ja, ich bin auch schon mal von der Polizei verhaftet worden. Das war vor wenigen Tagen.“ Nachts hatten sie an ihr Zimmer in White City geklopft, wo die meisten Simbabwer landen, die in Botswanas Hauptstadt ankommen. Sie möchte jetzt lieber nicht dorthin fahren, denn ihre botswanischen Nachbarn hatten sie verpfiffen. Die Polizei konnte zwar nicht viel machen, denn Carrolls Besuchsvisum ist noch gültig. Aber sie blieb über Nacht eingesperrt und fing sich sogar einen Schlag ins Gesicht ein. „Manchmal behandeln sie uns wie Tiere“, sagt sie. „Aber in Simbabwe ist es schlimmer, dort gibt es Tränengas und Soldaten.“

In Simbabwe findet Carroll weder Arbeit noch Nahrung. Botswana ist hingegen politisch stabil und stetig im Aufschwung. Um daran teilzuhaben, nahm Carroll die lange Fahrt auf sich: 18 Stunden im überfüllten Bus von Bulawayo nach Gaborone. Preis: umgerechnet 7 Euro.

Viele Simbabwe kommen auf diese Weise nach Botswana, ganz legal mit Einreisestempel im Pass. Wenn das Visum abläuft, überziehen sie die Frist oder fahren rechtzeitig zurück, um mit neuer Aufenthaltsgenehmigung wieder einzureisen. Carroll plant jetzt ihre Rückfahrt, doch dann will sie zunächst in Südafrika billige Kleidung auf dem Flohmarkt einkaufen, zum Weiterverkauf.

Simbabwer leben unsicher in Botswana. Die Polizei unternimmt regelmäßig Razzien und schickt Illegale ins Abschiebelager Francistown und von dort nach Simbabwe. Doch sie kommen immer wieder. Botswanas Präsident Festus Mogae bestätigte kürzlich: „Wir schicken etwa tausend pro Woche zurück, doch sie sind sofort wieder da.“

Das Thema ist heikel. Eine Krise sei es noch nicht, meint Finanzminister Baledzi Gaolathe. Aber: „Unsere Grenze zu Simbabwe ist lang, und die Zahl der Einwanderer wird steigen. Sie machen die Arbeit, die hier niemand machen will. Unsere Leute kooperieren mit ihnen – illegal.“

Als Flüchtlinge kommen die Simbabwer nicht – sie wollen Geld verdienen. Lediglich ein Asylantrag pro Woche trifft beim UNHCR ein. Angeblich leben 120.000 Simbabwer in Botswana, und es werden mehr. Mit steigender Einwanderung nimmt auch der Fremdenhass zu. Für erhöhte Kriminalität werden Simbabwer verantwortlich gemacht.

Besonders in der Gegend um das Abschiebelager Francistown, nahe zum simbabwischen Grenzposten Plum Tree, macht sich eine ablehnende Stimmung breit. „Wir wissen, dass einige von euch die illegalen Einwanderer in euren Häusern und auf Farmen ohne Arbeitserlaubnis beschäftigen“, sagte sogar der dortige Polizeichef Bee Majakumbizi und warnte die Einwohner: „Diejenigen, die Illegale verstecken, müssen sich klar sein, das ihr Haus das nächste Ziel ist.“

Bei Francistown hat Botswana einen Grenzzaun gebaut – offiziell, damit kein Vieh mit Maul- und Klauenseuche die Grenze überquert. UN-Menschenrechtsbeauftrager Benny Otim bestätigt aber die Ansicht vieler Botswaner, dass der Grenzzaun Illegale fernhalten soll.

„Ein Zaun kann niemanden hindern, über die Grenze zu kommen“, grinst Thomas Killer. Der 31-jährige Maurer aus Simbabwes Hauptstadt Harare weiß, wie Landsleute auch elektrifizierte Grenzzäune überqueren. „Natürlich springen wir nicht einfach drüber“, lacht er. Aber es gibt genügend Ideen: „Ein Loch graben und drunterkriechen. Die Drähte mit Stöcken auseinanderhalten und durchkriechen. Korruption und andere Dinge.“

Drei Jahre lebt Thomas Killer schon in White City. Sein Besuchervisum ist längst abgelaufen, aber illegal verdient er gut auf dem Bau. Die Einheimischen seien faul, sagt er. „Sie brauchen zu lange für ein Haus. Ich arbeite schnell und bin um die Hälfte billiger.“ Der Maurer hat schon ein Auto zusammengespart, das in Harare steht. Und mit ein etwas mehr Geld will er dort ein Geschäft aufmachen.

Meisi Mokqwipe beobachtet das Gespräch und sieht ihn schräg an. Die 64 Jahre alte Botswanerin jätet Unkraut am Straßenrand in White City und mag die Simbabwer nicht. „Sie sind alle kriminell“, grummelt sie und runzelt die Stirn. Und während der Maurer erzählt, dreht ein Wagen mit einem weißen Auftraggeber seine Runden und hält nach Hilfsarbeitern Ausschau.MARTINA SCHWIKOWSKI