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: Neue Grenzen im Inneren

Die neuen Migrationsregelungen, die US-Präsident George W. Bush angekündigt hat, könnten vielen tausenden illegal in den USA lebenden Einwanderern, etwa aus Lateinamerika, das Leben erleichtern. Doch die auf den ersten Blick pragmatischen Richtlinien offenbaren ein Bild von US-amerikanischer Identität, wie es bislang nur nach außen gepflegt wurde.

KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Im Kern lässt Bush die alte Idee vom Gastarbeiter wieder aufleben, der für einige Jahre in ein reiches Land reist, Jobs übernimmt, die dort niemand machen will, und dann glücklich wieder heim fährt. Sogar Bush weiß, dass das nicht funktioniert – doch er erzählt es trotzdem.

Unmerklich zieht er damit eine neue Trennlinie durch die USA: Niemand wäre bislang auf die Idee gekommen, von lateinamerikanischen Einwanderern, ob mit oder ohne Papiere, die Rückkehr zu erwarten. Sie sind kriminalisierte, aber selbstverständliche Bestandteile der Gesellschaft. Gar galten sie als neue Verkörperung des „American Dream“ – der ja immer das Heilsversprechen enthält, eines Tages vom Ausgebeuteten zum Ausbeuter zu werden. Indem sie lediglich zu Teilnehmenden auf Zeit erklärt werden, definiert sich eine Art Kerngesellschaft neu – entlang zufälliger Grenzen.

Obendrein nutzen die Vorschläge auch nicht, das herrschende Zweiklassensystem von Green-Card-Besitzern und „Illegalen“ zu überwinden: Von ihnen wird sich nur ein Teil melden – in der Hoffnung, die Arbeitserlaubnis auf Zeit könne der erste Schritt zur Green Card sein. Die anderen werden sich weiter verbergen – aus Angst vor jedem Umgang mit den Behörden oder weil sie genau wissen, dass sie in den Bereichen der Schattenwirtschaft, die sie bislang beschäftigen, als plötzlich steuerpflichtige ordentliche Arbeitnehmer gar keine Chance mehr hätten.

Dass Bush von Migrantenorganisationen für seinen Schritt dennoch gelobt wird, zeigt, wie katastrophal und bigott die Situation der lateinamerikanischen Migranten seit Jahren tatsächlich ist – von der Wirtschaft gebraucht, von der Politik verleugnet. Letzteres allerdings verweist auf den Weg, den auch diese Initiative nehmen wird: Wenigstens in diesem Wahljahr ist es unvorstellbar, dass der Kongress die notwendigen Gesetzesänderungen tatsächlich verabschiedet. Bush will die Latino-Wähler gewinnen, den wichtigsten Schritt dafür hat er jetzt gemacht. Um das konservative Stimmpotenzial wird sich der Kongress kümmern.