: Mit seriösen Grünen gegen die CDU
Schattenkabinett der SPD nimmt Form an: Theaterintendantin Vértes-Schütter und Gesundheitspolitiker Petersen berufen. Im taz-Interview sympathisiert Spitzenkandidat Thomas Mirow (51) mit Rot-Grün, schließt eine große Koalition aber nicht aus
von SVEN-MICHAEL VEIT
taz: Herr Mirow, Sie glauben wirklich, dass Sie Bürgermeister in Hamburg werden können?Thomas Mirow: Ja, natürlich. Die CDU hat ihr Potenzial bereits ausgeschöpft, die SPD beginnt gerade erst mit dem Wahlkampf. Wir haben noch 48 Tage bis zur Wahl, und wir werden sie nutzen.
Bürgermeister werden Sie nur in einer Koalitionsregierung werden können. Welches Bündnis bevorzugen Sie?
Rot-Grün ist die natürliche Altertative zur jetzigen Koalition. Aber wir sind nicht festgelegt. Es ist auch ein Wahlergebnis vorstellbar, das andere Überlegungen erzwingt.
Sie schließen eine große Koalition mit der CDU also nicht aus?
Wenn es rechnerisch notwendig sein sollte, um eine stabile Senatsbildung zu ermöglichen, kann ich das nicht ausschließen. Auch die FDP käme für uns prinzipiell in Frage, es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass sie wieder in die Bürgerschaft kommt.
Sie lassen sich also alle Optionen offen. Aber vermutlich wären sie lieber rot-grüner Regierungschef als Zweiter Bürgermeister einer großen Koalition?
Das stimmt.
Als Vize von Ole von Beust stünden Sie also auch zur Verfügung?
Diese Frage ist zu beantworten, wenn sich diese Situation stellen sollte. Jetzt ist das hypothetisch.
Wir dachten bisher, die Ablösung des Rechts-Senats und des Bürgermeisters von Beust sei das Ziel der SPD?
Ja, so ist es auch. Wir gehen aber weiterhin ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf.
Die GAL schließt neuerdings die Option Schwarz-Grün nicht kategorisch aus. Beunruhigt Sie das?
Nein. Die Grünen haben das gleiche Recht wie wir, keine Koalitionsfestlegung zu treffen. Ich bin aber sehr sicher, dass die GAL auf eine seriöse Regierungsbildung Wert legt. Auch für die Grünen ist die CDU der Hauptgegner, genau wie für die SPD.
Die Glaubwürdigkeit dieser Interview-Aussage Mirows an Bord der Barkasse „Senator“ dokumentierte wortreich Isabella Vértes-Schütter. Unter der Rechts-Regierung sei die „Gefahr“ groß, „dass die Lebendigkeit des Kulturreichtums in Hamburg verdorrt“, leitete die Intendantin des Ernst-Deutsch-Theaters ihre viertelstündige Abrechnung mit der Kulturpolitik von Senatorin Dana Horáková ein. Symbolhaft am Anleger des Zeltmusicals „König der Löwen“ stieß die 41-Jährige zu der Hafenrundfahrt hinzu, auf der Mirow gestern die ersten beiden Mitglieder seines „Kompetenzteams“ vorstellte. Der SPD-Gesundheitspolitiker Mathias Petersen war bereits am Fischmarkt zugestiegen.
Und hatte erneut erklärt, dass ein Mehrheitsverkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser mit der SPD nicht zu machen sei und dass die Gesundheitsversorgung in Hamburg „nicht vom Einkommen abhängig sein darf“. Für Gesundheit und gleich noch für Umwelt und Sport ist der 48-jährige Arzt im Team des SPD-Bürgermeisterkandidaten zuständig, das dieser ausdrücklich „nicht als Schattenkabinett ansieht“. Wenngleich die gestern Vorgestellten – ebenso wie die weiteren sechs Mitglieder, die bis Mitte nächster Woche vorgestellt werden sollen – sämtlich „als Senatsmitglieder in Frage kommen“, wie Mirow versicherte.
Ein Anspruch, den Vértes-Schütter sogleich einzulösen sich bemühte. Mit Mirow als Bürgermeister und ihr als Kultursenatorin werde es einen „Bestandsschutz“ für kulturelle Institutionen geben, der Kulturetat werde pro Jahr „um 1,5 Prozent mehr steigen als der Gesamthaushalt“. Das, bestätigte Mirow, „gilt bereits für das laufende Jahr“. Vértes-Schütters „Maxime“, unter sie antrete, laute: verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Ihr Kulturbegriff, welcher „ein ganz anderer“ sei als der von Horáková, beinhalte, „Kultur nicht nur nach den Begriffen von Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu beurteilen“, stellte Vértes-Schütter klar, und erschöpfe sich nicht in „Kulturkonsum und aufgepfropften touristischen Events, die Kreativität austrocknen lassen“. Ihre Aufgabe in einem Senat sehe sie darin, die derzeitige „Banalisierung“ von Kultur durch „eine Atmosphäre der Kreativität zu ersetzen“.
Nach ihrem Verständnis, so die promovierte Medizinerin, die erstmals 1988 beim Festival der Frauen auf Kampnagel künstlerisch in Erscheinung trat, entstehe Kulturpolitik „aus dem Diskurs mit Kulturschaffenden“, zu denen sie ausdrücklich auch Geschichtswerkstätten und Einrichtungen der Stadtteilkultur zähle.
Er wolle Menschen in seinem Kompetenzteam, hatte Mirow einleitend erklärt, „die den inhaltlichen und personellen Neubeginn der SPD glaubwürdig präsentieren“. Isabella Vértes-Schütter ist ein guter Anfang.