Armee führt Regie

Werbung für den Krieg: „Marschbefehl für Hollywood“ dokumentiert, wie dreist das Pentagon Filmförderung betreibt (Mittwoch, 23.00 Uhr, ARD)

von SILKE BURMESTER

Es ist das Glück der Amerikaner, dass – abgesehen vom Angriff auf Pearl Harbour – nie ein Krieg mit modernen Waffen auf ihrem Boden ausgetragen wurde. Es ist das Pech anderer Völker, dass Krieg für ein Großteil der Amerikaner kaum mehr ist als eine Inszenierung zwischen Nintendo und Hollywood.

Schon während des Zweiten Weltkrieges reichte die Verknüpfung der Unterhaltungs- und der Tötungsindustrie weit über die bloßen Auftritte von Leinwandstars wie Marlene Dietrich oder Bob Hope zur testosteronalen und moralischen Stärkung der Truppe hinaus: Bereits 1942 war von der Regierung ein Büro für die Verbindung beider Sparten eingerichtet worden. Für die Gegenwart bedeutet das: Wer einen Kriegs- oder Militärfilm ohne die Zusammenarbeit mit dem Pentagon inszenieren will, hat es schwer. Oliver Stone etwa brauchte zehn Jahre, bis er das Geld für seinen Oscar-gekrönten Anti-Kriegsfilm „Platoon“ zusammenhatte.

Hätte er sich wie viele seiner Kollegen auf den Pakt mit des Teufels General eingelassen und seinen Film dem Filmbüro der US-Armee unterstellt, alles wäre einfacher gewesen. Das Pentagon hätte die Ausrüstung, vom Hubschrauber bis zum Feldstecher, gern auch mal einen Flugzeugträger, kostengünstig zur Verfügung gestellt und zur Not auch mit Personal für Stunts ausgeholfen.

So ist der Start eines Kampffliegers im Mietpreis inbegriffen, Kapriolen in der Luft sind ab 16.000 US-Dollar die Stunde zu haben. Darüber hinaus bietet das Hollywood-Paket der Militärs den „Service“, das Drehbuch permanent zu überarbeiten und peinlichst genau darauf zu achten, dass nicht etwa ein M4-Gewehr in Szene gesetzt wird, wenn die Soldaten in Wahrheit doch mit M16-A4 töten. Oder korrigierend in den Film einzugreifen, wenn die Armee gar zu unvorteilhaft dargestellt wird.

Die zuständigen Militärs, die Maria Pia Mascaro vor die Kamera bekommen hat, sehen sich auch in der Rolle des Zensors als Retter und Weltverbesserer. Gleichwohl geben sie offen zu, dass der „unterstützte“ Film, etwa „Black Hawk Dawn“ oder „Pearl Harbour“, vor allem Werbung für die Armee machen soll. Die Strategen haben Blut geleckt: Das Luft-Epos „Top Gun“ löste 1986 einen regelrechten Rekrutierungsboom aus.

Der Zuschauer des 45-minütigen Stücks erfährt viel über die Vorteile, die diese Allianz den Filmschaffenden bietet. Wenig jedoch über die Fallstricke der Abhängigkeit, in die sie sich begeben – und die moralische Verantwortung, sprich die Kriegsunterstützung, in die sie sich hineinfilmen.

Vielleicht ist das aber auch wieder zu europäisch gedacht. Vielleicht ist den Amerikanern die Haltung des Produzenten Bertram von Munster viel näher, der die Reality-Show „Profiles“ umsetzte. Eine TV-Serie, bei der Kamerateams die Soldaten und Soldatinnen bei ihrem Afghanistan-Einsatz begleiteten. Ganz ohne Opfer zu zeigen, versteht sich. „Die Idee für die Serie kam uns, als der Feldzug in Afghanistan losging“, berichtet er. „Ich dachte gleich, was für eine großartige Gelegenheit, so was zu filmen.“

Dem Pentagon gefiel das unblutige Abenteuerspiel, das über die Fernseher flimmerte. Einen kurzen Krieg später wurden die neuen Möglichkeiten der Einflussnahme dann ausgebaut: „embedded journalists“, eingebettete Journalisten, wurden Teil der Kriegsführung.

„Was wir da erreicht haben“, so von Munster, „war sehr hilfreich für Journalisten im Irakfeldzug. Darauf bin ich sehr stolz.“ Der Film sei jedem empfohlen, der an Frieden als zivilisatorisches Gut glaubt. Er beweist: Es ist alles noch perfider, als wir geahnt hatten.