village voice
: Klaus Beyer hat sich mit „Rätselhaft Magische Tour“ an die Drogenphase der Beatles gewagt

Manchmal singen sie im Duett. Bei „Die Mutter sie kennt“ hört man Paul McCartney im Hintergrund eine süße Melodie summen, bevor sie Klaus Beyer mit in seine eigene Gesangslinie aufnimmt. Da die Tonlage nicht richtig übereinstimmt, ergibt sich eine kleine Unschärfe, in der die beiden Stimmen nervös flimmern wie ein zwischen zwei Farben changierendes Oberhemd: das hell glänzende Gold der Beatles und das von zu viel Waschgängen etwas ausgeblichene Himmelblau von Klaus Beyer.

Oder ist es umgekehrt? Mittlerweile ist der Beatles-Mythos mit all den Demo-Aufnahmen, Original-Mono-Mixen und der zuletzt streicherlos erschienenen Edition von „Let it be … naked“ zur Evergreen-Maschine geworden. Bei Klaus Beyer hingegen entwickelt sich die Band noch einmal in experimentellen Schüben back to the roots: Seine Neuaufnahmen, bei denen er auf Deutsch Beatles-Lieder über aus Collagen zusammengeschnittene Tapevorlagen singt, kommen im Jahresrhythmus heraus. 2000 erschien „Laß es sein“, danach „Gummi Seele“, zu seinem fünfzigsten Geburtstag hat sich Beyer 2002 als Glanzstück „Hauptmann Peppers Einsamer Herzen Club“ gegönnt, mit lauter Beyer-Porträts anstelle der ursprünglichen Montage aus Pop-art-Stars von Monroe bis Marx.

Jetzt ist also „Rätselhaft Magische Tour“ dran, ein Remake des schon zu Beatles-Zeiten umstrittenen Albums, zu dem es damals einen Spielfilm gab, der nicht so gut ankam bei den Fans. Denn mehr noch als auf „Sgt. Pepper“ war die Musik hier Spiegel modischer Drogen, wurden LSD-Effekte mit Rückwärtsschleifen und Echorumpelkammern suggeriert oder komische Sätze von „Nebeln über Los Angeles“ gesungen, durch den angeblich George Harrisons Freunde irrten. Zum Glück war aber auch „All you need is love“ auf dem Album, und das gilt ja für immer.

Nun sind Beyers selbst verlegte CDs keine Hommage an die Beatles wie die Coverversionen von Motown-Soul-Sängern, Tanzorchestern oder dem Jazztrompeter Herb Alpert. Sie sind auch nicht Konzept-Schmuckwerk wie beim Beatles-Stahlgewitter von Laibach. Für Beyer ist die Aufarbeitung eine zärtliche Annäherung, so etwas wie schüchterne Liebe aus der Ferne. Der frühere Kerzenzieher singt die Lieder nach, weil sie ihm das Leben stärken, weil er durch sie hindurch besser sehen kann, was er selbst ist: ein Beatle im Körper eines freundlichen Kreuzbergers – halb Walross, halb „der Narr auf den Höhen“. Beyer muss das tun.

Aber er ist gleichzeitig Künstler genug, um in der Verdoppelung etwas anderes zu erzeugen als eine Reproduktion. Indem er die Stücke so bearbeitet, dass er hauptsächlich über den aneinander geklebten Instrumentalpassagen der Originale singt, entstehen eigenständige Variationen: Bei „Mann, du bist ein reicher Mann“ oder bei „Hello Goodbye“ etwa wird das musikalische Motiv in Sekundenbruchteile zerlegt, bis es fast verschwindet. Erst mit Beyers Gesang werden die Beatles in diesem Flickenteppich wieder kenntlich.

Ganz ähnlich gehen Terre Thaemlitz oder Christian von Borries mit Disco, Kraftwerk oder Klassik vor. Nur nennt man es dort Dekonstruktion und freut sich über die Anschlussfähigkeit des eigenen Geschmacks für theoretische Diskurse. Bei Beyer passiert das alles auch, ohne aber penetrant auf die Autorität der Interpretation zu verweisen. Deshalb zeugt es von einiger Souveränität im Umgang mit dem Material, wenn er für „Penny Lane“ nicht die echten Beatles als Vorlage nimmt, sondern eine Karaoke-Fassung. Kann man besser drüber singen, und es klingt auch ohne viel Geschredder und Geschnipsel gut. Nur mehr nach Beyer eben. HARALD FRICKE

Klaus Beyer: „Rätselhaft Magische Tour“ (Amsel Rec.)