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Archiv-Artikel

Jammern auf hohem Niveau

Die Lage sei verdammt kritisch, sagen die Großbanken und fordern vom Bund eine Auffanggesellschaft für ihre Kredite. Dabei ist die Krise hausgemacht

von HERMANNUS PFEIFFER

Die Deutsche Bank ruft nach dem Staat. Vorstandssprecher Ackermann schlug bei einem sonntäglichen Krisengipfel mit Kanzler Schröder und Finanzminister Eichel die Gründung einer halbstaatlichen Auffanggesellschaft vor, in der die Banken ihre Not leidenden Kredite bündeln wollen, wenn nötig auf Kosten des Steuerzahlers.

Das Planspiel der Banker zeigt den Ernst der Lage: Die Deutsche Bank wahrt nur durch den Verkauf von Industriebeteiligungen für 3,7 Milliarden Euro den Schein, die Hypo-Vereinsbank verzichtet erstmals seit 50 Jahren auf eine Dividende, die Commerzbank schließt nach über hundert Jahren mit Verlust ab, die Dresdner Bank legt sogar einen Minusrekord hin. Allein in den ersten neun Monaten 2002 wurden zwei Milliarden Euro versenkt. 30.000 Jobs wollen allein die vier Großbanken abbauen.

Dagegen bleibt die Bundesbank gelassen. Vizepräsident Jürgen Stark sieht „eine höhere Stabilität“ – die Geldgiganten hätten aus Fehlern der Asienkrise 1997/98 gelernt und würden die Risiken heute splitten. Deutsche Banken würden sogar „Stresstests“ mit hohen Ölpreisen oder niedrigen Euro-Kursen gut verkraften. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) mag keine Bankenkrise erkennen. Die Lage der deutschen Banken sei nicht so schlecht, dass sie eine Auffanggesellschaft bräuchten.

Fett im Investmentbanking

Ackermann und seine Vorstandssprecherkollegen hingegen begründen ihre schlechten Zahlen vor allem mit der seit März 2000 grassierenden Börsenkrise und dem folgenden Zusammenbruch des Investmentbankings. Zudem seien die vielen tausend Filialen einfach zu teuer. Während in Großbritannien eine Filiale 3.800 Kunden betreut, sind es in Deutschland nur 1.400.

Andererseits ist der Krisentaumel auch hausgemacht. Dies bestätigt ein Blick auf die Erfolgreichen, die es im Geldgewerbe eben auch noch gibt. So verdient etwa die Citibank in Deutschland üppig mit dem klassischen Kreditgeschäft, von dem die Deutsche Bank partout nichts mehr wissen will. Die Postbank verdient an „kleinen“ Kunden, pfiffige Sparkassen und Genossenschaftsbanken machen sogar mit Mittelstandskrediten Gewinne.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Waage der globalen Ökonomie immer mehr zugunsten der Finanzdienstleister gesenkt. Mitte der 90er gelang es den Banken auch hierzulande endlich, die Kapitalmarktorientierung durchzusetzen – statt Kreditgeschäfte zu tätigen, ging es nun an die Börse. Eine typische Überproduktionskrise entstand: Alle wollten plötzlich dick und fett ins Investmentbanking. Seit die Kurse taumeln und die provisionsträchtigen Aktienumsätze sinken, sind die Investmentabteilungen der Banken zu groß, das eigene Kapital ist falsch angelegt.

Völlig überzogene Profitziele

Zu der Überproduktionskrise à la Karl Marx gesellten sich eine schwächelnde Konjunktur, zusammenbrechende Mittelstandskredite, die eine hohe Risikovorsorge kosten, und weitere Managementfehler. Angetrieben von völlig überzogenen Profitzielen, die sich an fremden Märkten in Großbritannien und den USA orientierten – unter 15 Prozent p.a. Eigenkapitalrendite wollte es niemand mehr machen –, wurden Milliarden Euro im Internet verpulvert. Zudem ließ man Zentren für Privatkunden und Handelshallen für Wertpapierhändler bauen, die heute leer stehen.

Ignoriert wurde auch die Konkurrenz der „unabhängigen“ Finanzdienstleister, wie MLP oder DVAG. Sparkassen-Präsident Hoppenstedt dürfte Recht behalten mit dem Vorwurf, die Banken wollten mit dem Ruf nach einer staatlichen Auffanggesellschaft von ihren eigenen Managementfehlern ablenken. Gejammert wird eh auf hohem Niveau. Die meisten Kreditinstitute werden 2002 mit Gewinnen abschließen. Das Krisengerede kommt freilich allen Bankvorständen gelegen: Sie dürfen endlich kräftig an der Personalschraube drehen.